Julia Ortner

Kommentar

Julia Ortner

Anstand kann man nicht verordnen

Politik / 03.08.2020 • 18:59 Uhr

Herr Illedits hat etwas Exotisches getan, zumindest für österreichische Verhältnisse. Der burgenländische Sozial- und Wirtschaftslandesrat ist am Samstag von seinem Amt zurückgetreten, weil ihm der SV Mattersburg in seiner Funktion als Vorsitzender des Aufsichtsrates der Fußballakademie Burgenland zu seinem 60. Geburtstag vor zwei Jahren ein „persönliches Geschenk“ gemacht hatte, das er nicht hätte annehmen dürfen – ein Goldblatt mit einer Vereinswidmung, Wert: 5400 Euro.

Das Gold habe er daheim als Souvenir abgelegt, erst eine anonyme Anzeige habe ihn nun wieder daran erinnert, sagt SPÖ-Politiker Christian Illedits. Abgesehen davon, dass sich jetzt beobachten lässt, was im Burgenland im Zuge des Skandals um den SV Mattersburg vielleicht noch alles passieren könnte: Grundsätzlich geht es um eine Frage des Anstands, die sich natürlich nicht auf eine Partei oder ein Bundesland beschränkt, sondern alle Menschen in Ämtern und Funktionen angeht.

Der altmodische Anstand

Das Burgenland ist überall. Mittlerweile gibt es in Österreich zwar Compliance-Regeln im öffentlichen Bereich (so wie in Konzernen), mit der Novelle des Korruptionsstrafrechts 2012 hat man den Amtsträgerbegriff ausgeweitet, die Geschenkannahme sowie das „Anfüttern“ werden also vernünftigerweise schärfer geahndet. Dennoch hält sich diese „Wer wird denn päpstlicher als der Papst sein?“-Kultur weiterhin, Kulturwandel braucht eben seine Zeit – nur nicht hudeln. Anstand ist ein altmodischer Wert, wer sich darum bemüht, gilt als anstrengend und ein bisschen ungeschickt, weil er oder sie nicht nur primär auf den eigenen Vorteil schauen will. Und obwohl sich die Situation durch die Compliance-Regeln verbessert hat, kann man Anstand leider nicht verordnen, wenn es an Bewusstsein mangelt.

Dabei wäre es so einfach: Man sollte keine Dinge von Wert annehmen, die einem aufgrund der beruflichen Rolle offeriert werden. Im (anständigen) Journalismus gilt zum Beispiel die drei K-Regel, Klumpert, Kuli, Kalender kann man unbesorgt annehmen; Kuchen und Kaffee würde ich noch ergänzen. Bei beruflichen Terminen in Lokalen sollte die eigene Organisation oder Firma die eigene Rechnung übernehmen oder man zahlt eben auch mal privat. Die Welt wird davon nicht untergehen, versprochen.  

Das ausbaufähige Gefühl für Anstand dürfte aber auch mit der mangelnden Transparenz im Land zu tun haben. Das von der Regierung groß angekündigte Transparenzpaket – das Amtsgeheimnis soll abgeschafft, das Recht auf Informationsfreiheit gestärkt, die Transparenz bei Parteifinanzen erhöht werden – könnte nicht nur mehr politische Sauberkeit bringen, sondern auch dem guten alten Anstand etwas mehr Platz im politmedialen Betrieb einräumen.