Vernunft ist was für fade Leute
Frau Eckhart will ihr neues Buch verkaufen, verständlicherweise. Und deshalb ist der österreichischen Kabarettistin, die vorzugsweise auf höchst fragwürdige „Witze“ und ressentimentgetriebene Schenkelklopfer setzt – natürlich nur alles Teil der Show, wie sie versichert – gerade jetzt jede Aufregung um ihr Wirken in Social Media und Feuilletonartikeln sehr Recht. Lisa Eckhart nutzt bei ihrer Bühnenarbeit eben lieber den Holzprügel als das Florett, das kommt bei einem Teil des Publikums gut an. Wenig überraschend.
Zugespitzte Meinungen und polarisierende Behauptungen bringen heute mit recht einfachen Mitteln Quote und Aufmerksamkeit. Ob in der Politik, im Kultur- oder im Medienbetrieb. Wer auf den Plattformen von Twitter bis Facebook mit anderen herumstreitet und sich aufspielt, bekommt tendenziell mehr Follower, Likes und die volle Aufmerksamkeit des Publikums. Das hat die Netz-Expertin Ingrid Brodnig schon 2016 in ihrem Buch „Der unsichtbare Mensch“ analysiert; häufig werden besonders jene mit Beachtung belohnt, die aggressiv auftreten. Das macht auch die aktuellen Überlegungen der Politik gegen Hass im Netz nicht einfacher.
Unterwegs wie Trump
Die Polarisierenden surfen auf der Welle von Stimmungen, die sie, wie US-Präsident Donald Trump, zwar nicht erfunden haben, mit ihren Äußerungen aber noch weiter befeuern. Die Mitte des Meinungsspektrums wirkt dagegen oft hilflos. Sie verstummt teilweise, weil die Lauten sich allen Raum nehmen und sie abwerten: Wer vernünftig ist und nicht dauernd in irgendeiner Fankurve Platz nehmen will, gilt schon als langweilig, als meinungs- und charakterschwach. Vernunft ist was für fade Leute, dafür bekommt man ja keine Likes!
Wer vernünftig ist und nicht dauernd in irgendeiner Fankurve Platz nehmen will, gilt schon als langweilig.
Dabei sollte man froh sein, wenn es im öffentlichen Diskurs nicht nur Verhaltensauffällige auf der Suche nach Beachtung gibt, sondern auch jene, die noch an die Kraft des Dialogs und der Vernunft glauben – oder daran glauben wollen. Das heißt allerdings nicht, keine Position zu beziehen, wenn grundlegende demokratische Werte gefährdet sind. Rassismus, Antisemitismus, gesellschaftliche Missstände darf man nicht relativieren, sondern Probleme benennen. Man muss wirklich nicht bei jeder Aufregung mit dabei sein, aber sollte sich nicht gänzlich aus der Debatte zurückziehen und den Schreihälsen den öffentlichen Raum überlassen. Ein Weg, den leider manche wählen, aus Selbstschutz oder weil sie andere Sorgen haben, die sie beschäftigen.
Zumindest darauf könnte man sich vielleicht verständigen: Große Probleme von der Corona-Krise bis hin zum Klimawandel werden wir wohl nicht lösen, indem wir uns gegenseitig anbrüllen und für dämlich erklären. Vernünftig gesagt.
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