Kathrin Stainer-Hämmerle

Kommentar

Kathrin Stainer-Hämmerle

Vertraut uns!

Politik / 02.09.2020 • 07:30 Uhr

Bundeskanzler und Gesundheitsminister führen derzeit eine Beziehung auf Abstand. Das entspricht durchaus der Intention ihrer getrennten Auftritte: Social distancing soll den Ausbruch einer zweiten Welle verhindern. Für dieses strategische Ziel braucht es die Unterstützung der Bevölkerung für die bereits bestens bekannten Schutzmaßnahmen. Sebastian Kurz und Rudolf Anschober senden also vor allem eine Botschaft: Vertraut uns und unserer Politik auch weiterhin.

Wobei der Kanzler eher auf seine persönliche Überzeugungskraft setzt und nach einigen Fehlprognosen und -ankündigungen über Anzahl von Tests oder Entwicklung von Infektionsraten lieber vage bleibt. Rudi Anschober verliert sich hingegen in Fakten und Zusammenhängen und hofft durch ausführliche Erklärungen uns betroffene Bürger ausreichend aufzuklären. Mit der Ankündigung von ersten Impfungen bereits im Jänner ließ er sich dennoch zu einem konkreten Versprechen verleiten. Und es wird keinen Lockdown mehr geben, auch nicht bei dunkelroten Ampeln. Der Rest ist nett, doch eher banal.

Spannung steigt

Die Grundsatzerklärungen beweisen die steigende Anspannung vor Schulbeginn und der Rückkehr in geschlossene Räume. Doch zahlreiche Fragen lassen die beiden wichtigsten politischen Krisenmanager offen: Was bedeuten die einzelnen Ampelphasen? Welche Lockerungen werden zurückgenommen? Was ist mit Veranstaltungen? Werden Schulen wirklich geöffnet bleiben? Wann kommt es nun wirklich zu konkreten Ankündigungen? Die Regierung scheint ihren Gleichschritt verloren zu haben. Nicht nur getrennte Auftritte und unterschiedliche Botschaften stören das Bild vom „Besten aus beiden Welten“. Auch das Kopf-an-Kopf-Rennen im Beliebtheitsranking und der beginnende Wahlkampf in Wien trüben die Harmonie.

Auch das Kopf-an-Kopf-Rennen im Beliebtheitsranking und der beginnende Wahlkampf in Wien trüben die Harmonie.

Stimmungspolitik

Auf die Fabulous Four werden wir diesen Herbst vorerst verzichten müssen. Karl Nehammer wird als Innenminister wohl Spitzenkandidat Blümel beim Stimmenfischen im blauen Lager helfen. Vizekanzler Kogler muss ähnliche Dienste seiner Landesparteichefin Birgit Hebein gegen SPÖ und Neos anbieten. Spannend wird für Beobachter aus den anderen Bundesländern, ob es ausgerechnet in Wien gelingen kann, Zuwanderung und Integration als potenzielle türkisgrüne Sprengthemen zu umschiffen. Wenn das Ziel aber wirklich der Erhalt des außergewöhnlich hohen Vertrauens wie zu Beginn dieser Pandemie ist, hätten wir gerne von der Bundesregierung ein neues Skript: Weniger Babyelefanten und Taferln, sondern mehr Experten aus verschiedensten Bereichen und klar formulierte Gesetze sowie koordiniertes Vorgehen statt ständige Wiederholungen und Licht-am-Ende-des Tunnels-Metaphern.