Sperrstund is
Alles begann vor acht Monaten mit den inszenierten Auftritten der Corona-Vier nach demselben Muster. Bundes- und Vizekanzler sowie Gesundheits- und Innenminister schritten entschlossen zu Pulten mit Abstand und entfernten mit einstudierter Geste ihre Masken. Oder wie sie betonen: den „Mund-Nasen-Schutz“. Damit gleich klar ist, was die Maske alles zu bedecken hat. Vergangenen Montag wieder dieses Ritual, denn die Regierung weiß: Zur Message Control gehören neben Wortwiederholungen auch Bilder und Vorbilder.
Einfache Entschuldigung
Bundespräsident Alexander Van der Bellen wurde im Mai noch verziehen, als er trotz Sperrstunde noch beim Italiener saß. Er hat sich aufrichtig entschuldigt. Klare Worte wären auch von der Tiroler Politiker-Runde zu erwarten gewesen, die im Zuge einer Landtagssitzung ebenfalls die Zeit übersah. Doch nicht alle konnten sich bisher dazu durchringen. Die Bürger aber erwarten zu Recht, dass sich Politiker an die von ihnen selbst beschlossenen Regeln halten. Und sie erwarten zu Recht, dass ihre gewählten Volksvertreter auch bei Fehlern Vorbilder bleiben. Mit ehrlichem Bedauern statt billiger Ausreden.
Vorbilder sind entscheidend, wenn Bürger zu freiwilligen Einschränkungen aufgerufen sind.
Testimonials nennt die Fachsprache Prominente, die zu Werbezwecken eingesetzt werden. So setzt die italienische Regierung auf eine bekannte Modebloggerin, um die Jugend zu erreichen. Auch Sportler können entscheidend zum Erfolg der Pandemiebekämpfung beitragen – zum Beispiel wenn sie Maske tragen. Nicht weil das im Zielraum eines Skirennens Sinn macht, sondern weil sie für viele Menschen Vorbilder sind. Der ehemalige Schwimmstar Markus Rogan lieferte mit seinem unverantwortlichen Fehlverhalten leider ein Negativbeispiel.
Ohne Ablenkung
Vorbilder sind entscheidend, wenn Bürger zu freiwilligen Einschränkungen aufgerufen sind. Ob es um Mund-Nasen-Schutz, private Feiern oder Selbstquarantäne geht: Prominente können hier Maßstäbe setzen. Rot-Kreuz-Manager Gerry Foitik wollte mit seiner Maske beim Interview wahrscheinlich auch ein Zeichen setzen. Doch hier drängt sich ein anderer Verdacht auf. Wer soziale Kontakte vermeiden will, nützt die technische Möglichkeit, Interviewfragen vom Wohnzimmer aus zu beantworten. Vielleicht ist es Foitik eher darum gegangen, dass ganz Österreich über seine Maske diskutiert statt über seine umstrittenen Aussagen in einem Strategiepapier.
Wir wollen ihm diesen Gefallen nicht tun. Sperrstund is für Zahlenspielereien, billige PR-Tricks und scheinheilige Doppelmoral. Wenn wir gemeinsam durch diesen schwierigen Herbst kommen wollen, hat die Bevölkerung ein Recht auf Transparenz, Ehrlichkeit und Ernsthaftigkeit.
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