Johannes Huber

Kommentar

Johannes Huber

Rote Linie

Politik / 08.05.2021 • 04:59 Uhr

Das Bundesheer rückt an, Soldaten betreten das Finanzministerium, um es später mit Akten zu verlassen: Bananenrepublik oder Militärregime? Sagen wir ersteres. Es ist jedoch müßig, darüber zu streiten. Fakt ist, dass eine solche Vorstellung für einen demokratischen Rechtsstaat bisher undenkbar erschien.

“Eine solche Vorstellung erschien bisher für einen demokratischen Rechtsstaat undenkbar.”

Jetzt war Österreich nah dran. Das Ganze wäre nicht auf Befehl von Offizieren abgelaufen, die auf Gesetze pfeifen. Weil aber Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) auf Gesetze pfeift bzw. den Auftrag des Verfassungsgerichtshofes ignorierte, einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss gewünschte Unterlagen zu übermitteln, war es an Bundespräsident Alexander Van der Bellen, dafür zu sorgen, dass er es tut. Und wie Van der Bellen erklärte, hätte er dabei auch das Bundesheer heranziehen können.

Darauf wollte es Blümel dann doch nicht ankommen lassen. In letzter Minute ließ er die Akten übermitteln. Er versah sie jedoch mit einem „Geheim“-Vermerk, um sie für den Ausschuss de facto unbrauchbar zu machen. Das ist der nächste Affront. 

Zur Verteidigung des Ministers mag eingewendet werden, dass er sich gegen eine skandalisierungswütige Opposition schützen wolle. Selbst wenn dem so wäre, würde es sein Verhalten nicht rechtfertigen: Gerade in seiner Funktion hat er sich an Gesetze zu halten, Erkenntnisse des Höchstgerichtes zu akzeptieren und sich der Auseinandersetzung mit Abgeordneten zu stellen. Im Unterschied zu ihm sind sie in ihr Amt gewählt, auch mit dem Auftrag, Kontrolle auszuüben.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist Chef von Blümel, Blümel zählt zu seinen Vertrauten. Kurz wurde dieser Tage von VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter ermahnt, dass er nicht mir nichts, dir nichts Teile seiner Kommunikation mit dem Argument geheimhalten kann, dass sie privat wären. Das beschränkt sich nur auf sehr Persönliches. Im Übrigen ist sein Tun relevant für die Allgemeinheit. Das bestätigt er ja selbst mit beinahe täglichen Pressekonferenzen zu allem Möglichem.

Sebastian Kurz und Gernot Blümel stehen an einer roten Linie, die sie zu ihren Gunsten verrücken wollen, wie es ihnen gefällt, in Wirklichkeit jedoch übertreten. Es ist Zeit, dass sie diese demokratische Zumutung beenden.

Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.