Vizekanzler: 2022 startet die CO2-Bepreisung in Österreich

Politik / 11.06.2021 • 18:31 Uhr
Vizekanzler: 2022 startet die CO2-Bepreisung in Österreich
“Am Ende geht es aber um eine Gesamtabwägung. Die Zustimmung, dass wir regieren sollen, ist weiterhin groß”, sagt Werner Kogler. APA

Werner Kogler spricht mit den VN über den U-Ausschuss, die ÖVP, Anklagen, Coronastrafen, den Bundespräsidenten und die Vorarlberger Grünen.

Wien Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) will der ÖVP auch Grenzen aufzeigen. An einer CO2-Bepreisung führe kein Weg vorbei. Die mögliche, künftige Doppelspitze der Vorarlberger Grünen stimmt ihn zuversichtlich. Ob es tatsächlich eine Möglichkeit für eine Generalamnestie jener Coronastrafen gibt, die auf Basis verfassungswidriger Verordnungen verhängt wurden, will er sich nochmals ansehen.

Mit wie viel Bauchweh fahren Sie zum morgigen Bundeskongress Ihrer Partei?

Mit gar keinem, weil wir in dieser Regierung schon viel erreicht haben und bereits die nächsten großen Projekte wie die ökosoziale Steuerreform anstehen.

Die Grünen tragen aber auch vieles der Türkisen mit, was nicht unbedingt auf ihrer Linie ist.

Am Ende geht es aber um eine Gesamtabwägung. Die Zustimmung, dass wir regieren sollen, ist weiterhin groß. Natürlich gibt es auch kritische Fragen. Die gibt es bei mir auch. Und wir zeigen ja deutlich Grenzen auf.

Wie viel persönliche Überzeugung ist bei den Entscheidungen dabei und wie viel Koalitionsraison, zum Beispiel, wenn wir an die Nicht-Verlängerung des Ibiza-U-Ausschusses denken?

Dass die Realverfassung in Österreich keine Möglichkeit vorsieht, gegeneinander abzustimmen, ist nicht neu. Der U-Ausschuss wird in jedem Fall, so die Abgeordneten der Opposition das wollen, im Herbst weiterarbeiten können.

Nur, wenn es eine Neuauflage gibt. Dann müssten die Abgeordneten wieder bei null beginnen, da die bisher gelieferten Akten vernichtet werden müssen.

Sie müssen nicht bei null beginnen. Von den Akten verschwindet nichts. Im elektronischen Zeitalter muss man ja nur auf einen Knopf drücken. Außerdem wäre nicht einmal sicher gewesen, ob die weitere Verlängerung von drei Monaten gereicht hätte. Danach hätte der U-Ausschuss ohnehin neu eingesetzt werden müssen. Jetzt gibt es die Gelegenheit, ihn um den einen oder anderen Untersuchungsgegenstand zu erweitern oder gewisse Bereiche zu vertiefen. Das wäre vernünftig.

Um welche Bereiche?

Die Abgeordneten müssen das selbst entscheiden. Im Glücksspielbereich wäre sicher eine Ausweitung möglich: Gesetzeskauf, die Absichten darauf und die Versuche der Glücksspielmafia, reinzuregieren. Da geht es auch um eine Zeit weit vor der Entstehung des Ibiza-Videos, als auch noch die Sozialdemokraten in der Regierung waren. Wie es zum Beispiel überhaupt sein konnte, dass die Novomatic in das Casino-Konsortium reingekommen ist.

Es gibt den Vorschlag, während laufender staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen keinen U-Ausschuss zu den betreffenden Bereichen abzuhalten. Können Sie sich das vorstellen?

Die Schritte der Ermittlungsbehörden dauern oft mehrere Jahre. Das wäre für die Arbeit der politischen Aufklärung, um die es im U-Ausschuss gehen soll, wohl oft zu spät. Es sollte aber einen Konsultationsmechanismus zwischen Parlament und Justizbehörden geben, damit man sich tatsächlich nicht gegenseitig im Weg steht.

Sollte künftig ein Richter dem U-Ausschuss vorsitzen?

Das Parlament muss selber in der Lage sein, diese Ausschüsse zu führen. Es war damals der Kompromiss, dass die Präsidenten des Nationalrats vorsitzen sollen. Davon kann man abgehen und vorschlagen, dass die Fraktionen den Vorsitz selbst wählen. Das hätte dem jetzigen Präsidenten Sobotka viele Vorwürfe erspart.

Verstehen Sie die Kritik der ÖVP am U-Ausschuss?

U-Ausschüsse waren auch in der Vergangenheit  immer wieder in Kritik. Die Frage ist eher, mit welchem Ziel, welchem Inhalt und welchem Stil kritisiert wird. Da tun sich nicht immer alle einen Gefallen. Mir fehlt da oft der nötige Respekt vor den Institutionen der Demokratie in Gestalt des Parlaments.

Können Sie nachvollziehen, dass die ÖVP eine Anzeige gegen einen Oberstaatsanwalt plant? Der Vorwurf: eine politische Schlagseite bei den Ermittlungen.

Ob das schlau ist, wage ich zu bezweifeln, aber zulässig ist es, weil es eine rechtliche Möglichkeit dazu gibt.

Kann ein angeklagter Kanzler oder ein angeklagter Minister im Amt bleiben?

Die entscheidende Frage ist die Amtsfähigkeit. Sie muss gegeben sein und bleiben. Es hat jetzt aber wenig Sinn, die ganze Zeit zu spekulieren. Wir haben auch noch anderes zu tun in der Republik. Also: kühler Kopf, ruhige Hand und an der Zukunft arbeiten.

Was sind die Grenzen der Amtsfähigkeit? Ist das eine zeitliche Komponente oder eine Frage des Delikts?

Es geht weniger um den Status der Ermittlungen, sondern inwieweit man in der Lage ist, das Amt auszufüllen Die ÖVP kann das nun betrachten und muss das in erster Linie einmal selbst beurteilen.

Steht und fällt die Koalition mit der Kooperationsbereitschaft der ÖVP bei Klimaschutzgesetz und ökosozialer Steuerreform?

Es ist hier schon so viel mehr gelungen, als viele für möglich gehalten haben. Wir stellen viele Milliarden für neue, ökologische Investitionen bereit. Das beginnt zu greifen. Nun geht es darum, zu einem vernünftigen CO2-Preis zu kommen, der ökologisch und ökonomisch zielführend sowie sozial verträglich ist.

Es wirkt aber, als schicke die ÖVP öfters die Wirtschaftskammer voraus, um so grüne Prestigeprojekte madig zu machen.

Da gibt es halt welche, die noch ein wenig im alten Denken sind. Ich habe mit dem Präsidenten Harald Mahrer mittlerweile eine gute Gesprächsbasis. Er weiß genau, wie viele zukunftsgewandte Unternehmen, dass es eine CO2-Bepreisung braucht.

Generalsekretär Karlheinz Kopf spricht von ideologiebetriebenen Bestrafungsfantasien.

Er sollte aufpassen, dass er hier nicht irgendwelchen Öl- und Gaslobbyisten auf den Leim geht.

Hätte die CO2-Bepreisung im Regierungsprogramm besser definiert werden sollen? Derzeit steht sie relativ lose im Programm.

Nein. Es ist klar erkennbar, dass es zwei Wege gibt. Welchen wir wählen, haben wir bewusst offengelassen: Ist es besser die CO2-Bepreisung über steuerliche Methoden zu schaffen oder soll es eine CO2-Bepreisung für die Inverkehrbringer, etwa für Öl- und Gashändler, geben. Beide Systeme haben Vor- und Nachteile. Wir stellen gerade internationale Vergleiche dazu an. Deutschland wählte zum Beispiel ein Mischsystem. Wichtig ist nur, dass umweltfreundliche Produktionen und Verhalten günstiger und klimaschädliche teurer wird. Und dass wir für einen sozialen Ausgleich sorgen.

Könnte die Schweiz ein Vorbild sein? Dort wird am Wochenende über eine mögliche Erhöhung der CO2-Abgabe abgestimmt.

Ja, vor allem was die Rückverteilungsmodelle betrifft. Unterm Strich soll ja die Steuer- und Abgabenquote sinken. Nur innerhalb des Systems wird umgebaut. Wir müssen uns die Variante ansehen, ob die Konsumenten im Gegenzug zur CO2-Bepreisung weniger Einkommenssteuer bezahlen oder als Ökobonus direkt einen Betrag überwiesen bekommen.

Die ökosoziale Steuerreform wurde für das erste Quartal 2022 angekündigt. Bis wann braucht es spätestens eine Einigung, um das zu schaffen?

Sie wird Ende des Jahres fertig werden.

Inklusive CO2-Bepreisung?

Ja. Es geht um einen schrittweisen Einstieg.. Wir steigen niedriger ein, damit sich die Wirtschaft anpassen kann. Im Laufe der Zeit wird der Preis steigen. Nun verhandeln wir über die Höhe, den Zeitraum und die Entwicklung des CO2-Preises und gleichzeitig die Senkungen der Abgaben bzw. die Rückverteilung. Der wichtige Punkt ist, dass wir dafür die niedrigen und mittleren Einkommen entlastet werden.

Hängt die Steigung auch vom Erfolg der Maßnahme ab?

Nein, wir wollen Planungssicherheit schaffen. Aber natürlich kann man den Preis später auch adaptieren.

Vor einem Jahr haben Sie sich dafür ausgesprochen, Coronastrafen zu refundieren, wenn sie zu Unrecht verhängt wurden. Der VfGH hat einige Verordnungen gekippt, das Gesundheitsressort gleichzeitig eine Generalamnestie aber abgelehnt.

Ich bin dafür, Strafen zu refundieren, wenn sie zu Unrecht verhängt wurden, auch wenn das erst im Nachhinein festgestellt wird. Allerdings – das haben sich auch die Verfassungsjuristen im Land angesehen – ist eine Generalamnestie so nicht möglich. Man müsste sich die Fälle individuell ansehen.

VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter meint, eine Generalamnestie wäre möglich.

Das mag sein, dass neue Wege aufgezeigt werden können. Es wäre ein ziemlich großer Eingriff in unser Rechtssystem. Aber wir schauen uns das gerne an.

Die Vorarlberger Grünen wählen eine neue Parteispitze. Es deutet vieles auf eine Doppelspitze mit Daniel Zadra und Eva Hammerer hin. Auf Bundesebene war das Modell mit Ulrike Lunacek und Ingrid Felipe im Wahlkampf 2017 nicht erfolgreich. Was könnten die Vorarlberger daraus lernen?

Ich bin gespannt auf die Argumente und Debatten in Vorarlberg und werde ja selbst in zwei Wochen dort sein. Johannes Rauch und ich sind in engem Kontakt. Alles, was ich von ihm gehört habe, stimmt mich sehr zuversichtlich, sowohl die in Frage kommenden Personen als auch das Modell.

Was halten Sie generell von Doppelspitzen?

Es ist aber immer abhängig von den Personen. Wenn sie gut miteinander können, ist es in der Regel ein Gewinn. Der Wahlkampf 2017 war eine besondere Situation, grundsätzlich haben sich Doppelspitzen oder gar Viererteams in der Vergangenheit aber auch schon bewährt.

Hoffen Sie auf eine zweite Amtszeit von Alexander Van der Bellen?

Ich hoffe nicht nur, ich wünsche es mir und ich glaube es gibt Chancen dafür.