Falsche Größenverhältnisse
Das olympische Feuer ist gelöscht und allen Athleten gebührt eine herzliche Gratulation. Sie haben wirklich Großartiges geleistet. Politik und Sportverbände ziehen zufrieden Bilanz und lassen sich mit Medaillengewinnerinnen und -gewinnern gerne ablichten, in der Hoffnung, dass sie einen Teil des Erfolges für sich verbuchen können. Doch nüchtern betrachtet, steckt hinter dem Jubel ein falsches Bild von Österreich: Wir sind kein kleines Land, auch wenn wir uns selbst gerne so darstellen.
Platz 53 von 93 teilnehmenden Ländern im Medaillenspiegel entspricht nur knapp unserer Stellung in der Welt, betrachtet man etwa die Bevölkerungsgröße. Österreich liegt mit seinen neun Millionen Einwohnern auf dem 96. Rang von 195. Wir sind also durchaus ein mittelgroßer Staat. Bei den Olympischen Spielen lagen 14 Länder mit geringerer Bevölkerungszahl vor uns. Also kein Grund für Sportverbände und Politik sich allzu lange auf den Lorbeeren auszuruhen.
In diesen Tagen schreckt der neueste Bericht des Weltklimarates über den miserablen Zustand unseres Planeten auf. Auch hier sind die Österreicher geneigt, aufgrund der vermeintlichen Kleinheit des Landes den eigenen Anteil am Gesamtgeschehen herunterzuspielen. Die Statistik ist jedoch gnadenlos: Von 195 Ländern, gereiht nach ihrer Gesamtfläche, nimmt Österreich den 112. Rang ein. Das ist nicht groß, aber wir gehören sicher nicht zu den kleinsten. Jedenfalls ist Österreich bedeutend genug, um den Anstieg des CO2-Ausstoßes seit 1995 innerhalb unserer Grenzen nicht als Banalität abzutun. Wir sind aufgefordert, einen gewichtigen Anteil zum Stopp des menschengemachten Klimawandels beizutragen.
Wir sind eines der reichsten Länder der Welt. Insofern entspringt die restriktive Haltung der Bundesregierung in Fragen von Asyl und Integration eher parteitaktischem Kalkül.
Österreich schafft es im weltweiten Vergleich des kaufkraftbereinigten Bruttonationalprodukts sogar auf Platz 16. Wir sind eines der reichsten Länder der Welt. Insofern entspringt die restriktive Haltung der Bundesregierung in Fragen von Asyl und Integration eher parteitaktischem Kalkül und der Vermutung, dass die Mehrheit der Österreicher Zuwanderung ablehnt. Auch das ist einer falschen Größenordnung zuzuschreiben. Gerne ist von Hundertausenden die Rede, die 2015 nach Österreich kamen. Rechnet man allerdings alle Gewährungen von Asyl, subsidiärem Schutz und humanitärem Aufenthalt zusammen, wurde die Marke von 100.000 nicht einmal in den vier Jahren von 2015 bis 2018 gemeinsam erreicht.
Selbstverständlich kann Österreich nicht alle Schutzsuchenden der Welt aufnehmen. Aber wir sind kein so kleines, unbedeutendes Land, wie wir uns selbst gerne sehen. Weder von der Bevölkerungsgröße, noch von der Fläche und schon gar nicht gemessen an unserer Wirtschaftskraft. Wahrscheinlich sind auch die Herzen der Österreicher viel größer als die Politik es ihnen zutraut.
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