Kathrin Stainer-Hämmerle

Kommentar

Kathrin Stainer-Hämmerle

Zusammenhalt

Politik / 08.09.2021 • 06:30 Uhr

„Es wird sicher keine Lockdowns mehr geben für Geimpfte“, versicherte Sebastian Kurz kürzlich im ORF-Sommergespräch. Dieses bereits eingeschränkte Versprechen wollen wir gerne glauben. Doch Antworten auf die stockende Impfbereitschaft der Österreicher lieferte der Bundeskanzler keine. Eine Impfpflicht schloss er kategorisch aus, zur 1-G-Regel äußerte er sich vage, „je nachdem wie sich die Lage entwickelt“.  Die grüne Justizministerin Alma Zadic ergänzte einen wichtigen Aspekt: „Wenn man aber jetzt geimpft ist und das Leben der anderen durch die Impfung schützt, dann lässt sich das verfassungsrechtlich schwer argumentieren, warum man die Personen, die geimpft sind, zu Hause einsperrt.“

Die Details bespricht die Bundesregierung am Mittwoch mit den Landeshauptleuten. Es soll kein Blatt zwischen die Verantwortungsträger passen, dennoch will niemand freiheitseinschränkende Maßnahmen verkünden. Wie im Schulbereich wird die Verantwortung wahrscheinlich weiter zwischen Bundesministerium und Schuldirektoren hin- und hergeschoben. Der Ärger über kurzfristige, uneinheitliche und symbolische Maßnahmen wächst inzwischen.

Im Moment kommt Österreich nämlich nicht gut durch die Krise. Auch nicht relativ, wie ein Standardsatz des Bundeskanzlers lautet. Mit gut 60 Prozent Durchimpfungsrate liegen wir innerhalb der EU auf Platz 16. Hinter uns nur mehr Staaten aus Süd- und Osteuropa. Der Zusammenhang zwischen der Zahl der Ungeimpften und der Gefahr eines neuerlichen Lockdowns scheint zu wenigen bewusst zu sein. Selbst die SPÖ und Neos versprechen lieber offene Schulen oder Geldgeschenke anstatt Zwangsmaßnahmen zur Erhöhung der Impfquoten zu fordern.

Die Belegung der Intensivbetten sind nun die äußeren Umstände, an denen die Politik ihre Pandemiemaßnahmen ausrichten will. Die Wette, dass die Zahlen bis zur Oberösterreich-Wahl am 26. September keinen Grund zur Sorge bieten, ist relativ gefahrlos. Schließlich gilt es aus Sicht der ÖVP vor allem der FPÖ jede Möglichkeit der Profilierung zu nehmen. Das heißt, keine Impfpflicht, keinen Lockdown und auch keine Zuwanderung. 2015 verlor die ÖVP bei den oberösterreichischen Landtagswahlen 84.000 Stimmen an die FPÖ. Das war nicht nur ihr größter Verlust, sondern auch die stärkste Wählerbewegung insgesamt.  Zum Vergleich: Das grüne Ergebnis lag absolut bei knapp 90.000 Stimmen.

Themen wie Familienpolitik oder Umweltpolitik spielen bei der Rückgewinnung dieser Wähler keine Rolle. Daher auch kein Papamonat und keine konkreten Äußerungen zum CO2-Preis des Bundeskanzlers. Wenn wir heute das Ergebnis der Verhandlungen mit den Landeshauptleuten erfahren, lässt sich daraus weniger die Dramatik der Pandemie erkennen als deren Solidarität zum im Wahlkampf stehenden Kollegen Thomas Stelzer.