Gebt den Kindern das Kommando und kein Mikro
Spätestens nach dem dritten „Triell“ – ja, so kreativ verkaufen die deutschen Fernsehsender ihre Dreier-Runde der Kanzler-Kandidatin und -Kandidaten – kann man das Ende des deutschen Wahlkampfs nicht mehr erwarten. In den letzten Zügen der Auseinandersetzung sorgen jetzt auch noch herzige Kinder und ihre „Interviews“ mit jenen, die Angela Merkel beerben wollen, für einen überzogenen Wirbel, der aber einiges über die Verfasstheit des politmedialen Betriebs erzählt. Und zwar nichts Erfreuliches.
„Late Night Berlin“, die satirische Show von Klaas Heufer-Umlauf, hat CDU-Chef Armin Laschet von den zwei Elfjährigen Pauline und Romeo in einem Stoffzelt interviewen lassen, die Fragen der Kinder wurden allerdings immer unkomfortabler. Wie in einem harten Interview mit Erwachsenen, nur dass man als Politiker eben vor aufgeweckten Kindern im Fernsehen sitzt, auf die man nicht wie auf angriffige Erwachsene reagieren darf – Laschets unentspanntes Verhalten mag nicht sympathisch gewesen sein, verständlich ist es schon. Die unauthentische Inszenierung der zwei jungen Interviewfüchse, die orchestriert und vorbereitet von den Großen als Kuschelkommando auf Politikprofis angesetzt werden, ist weder kreativ noch an Erkenntnisgewinn interessiert. Kinder als putzige Sprechpuppen von Erwachsenen, der Politiker als verkrampfter Anzuginhaber, da bitte lieber noch drei Trielle.
Druck durch Infotainment
Natürlich könnte man als Partei sagen: Ich schicke meine Nummer Eins nicht in jede fragwürdige Wahlkampfarena, die ihm oder ihr nicht liegt. Und bei einer Sendung wie „Late Night Berlin“ hätte man sich ausrechnen können: eine eher schlechte Idee für Herrn Laschet. Doch Politiker und Politikerinnen stehen unter Druck, sich dem Infotainment auf allen Medienkanälen zu stellen – mit Kinderreportern, wie erfrischend! „Das andere Interview“ wird in solchen Fällen gerne versprochen, wenn ich das nur höre. „Das andere Interview“ heißt, dass irgendwer mit ganz anderer Profession Politikmenschen irgendwie zwischen naiv und überambitioniert befragt: Das bisschen Fragen, das bisschen gescheit Daherreden, das kann ja jeder. Da fragt man sich: Warum quälen wir uns mit Journalismus herum und versuchen uns nicht einmal an „der anderen Blinddarm-OP“?
Journalismus rettet kein Leben am Operationstisch. Doch seriöser Journalismus ist für eine funktionierende Demokratie überlebenswichtig, so wie seriöse Politik. Dessen eingedenk sollten wir alle auch in Wahlkampfzeiten die Würde möglichst bewahren – die eigene, aber auch jene der Menschen auf der anderen Seite des politmedialen Spiels. Also gebt den Kindern gerne das Kommando. Aber kein Mikro für „das andere Interview“.
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