Causa Reichart: Vorwurf rund um Fördergelder

Die Opposition sieht den Verdacht auf Förderbetrug und Schattenwirtschaft.
Bregenz Die VN-Recherchen zur Buch-Causa der Bregenzer Kulturamtsleiterin Judith Reichart ist um ein weiteres Kapitel reicher: Die Bregenzer Grünen, Neos und Volkspartei haben der Staatsanwaltschaft, der Bezirkshauptmannschaft, der Gebarungskontrolle des Landes, dem Bundes- und Landesrechnungshof wie auch der Volksanwaltschaft eine Sachverhaltsdarstellung zugestellt. Ihr Verdacht: Die versuchte Erschleichung von Bundesförderungen wie auch die Zweckentfremdung von Stadtgeldern.

Basis ist der Schriftverkehr zwischen Reichart und dem früheren Kulturamtsleiter Wolfgang Fetz, der den VN vorliegt. Dieser dürfte maßgeblichen Beitrag an der Arbeit Reicharts gehabt haben, seine Bezahlung hätte scheinbar über die Zweckentfremdung von gewidmetem Steuergeld geschehen sollen. Als dies nicht möglich schien, wurde mit “Kunst-Stadt-Raum Kulturverein” ein neuer Verein gegründet werden.
Geschäftsführerin ohne Verein
Reichart hat als dessen Geschäftsführerin im Juni sogar um Bundesförderungen angesucht. Den Verein gibt es jedoch erst seit August, eine Geschäftsführung wurde nie ernannt. Die angegebenen 80.000 Euro Eigenmittel, aus der Kassa der Stadt, gab es nicht. Außerdem wurden Landesförderungen von 45.000 Euro angegeben, beim Land wisse man davon nichts. 20.000 Euro an Bundesförderungen sind daraufhin Ende August daraufhin geflossen. Was der Zweck dieses Vereins und den durch ihn errungene Förderungen gewesen sei, ist für Vizebürgermeisterin Sandra Schoch (Grüne), Veronika Marte (ÖVP) und Alexander Moosbrugger (Neos) auf Basis der Recherche des freien Journalisten Jan-Philipp Möller nicht direkt ersichtlich. Es sei jedoch alles andere als im Sinne der Stadt, wenn der Kulturservice einen solchen Verein vorstehe, außerhalb der Kontrollmöglichkeit durch die Stadtgremien.
Gegründet wurde der Verein von Reichart, gemeinsam mit Stadtrat Michael Rauth (ÖVP). “Im Nachhinein war dies nicht die klügste Idee”, gibt sich dieser gegenüber den VN selbstkritisch. Er kannte die Vereinsstatuten und wusste, dass sich die Kulturamtsleiterin um Förderungen bewerben will. Wie diese Bewerbung jedoch formuliert wurde, war ihm nicht bekannt.

Bregenz kein zweites Fußach
“Hier wurden klare Compliance-Vorschriften unserer Verwaltung verletzt und den Eindruck vermittelt, man könne es sich schon richten”, sagt Schoch. Verfehlungen orten die Stadtpolitiker besonders bei Bürgermeister Michael Ritsch und Stadtamtsdirektor Florian Bachmayr-Heyda. Wie der Mailverlauf aufzeige, seien beide seit Längerem über die Vorgänge und Überlegungen informiert gewesen. Schließlich hätten die es nicht nur versäumt, mit Kenntnis der Vorwürfe Reichart zu suspendieren oder diese den zuständigen Organen anzuzeigen. Statt zu einer Aufklärung beizutragen, habe man vielmehr versucht, die Vereinsgründung und Förderanträge rückgängig zu machen, ortet die Opposition Verschleierung. Man sah sich daher gezwungen, an die Öffentlichkeit zu treten und zu handeln, betont Schoch: “Bregenz darf kein zweites Fußach werden.” Im Prüfungsausschuss der Stadt am Mittwoch will Moosbrugger eine Prüfung der Vorwürfe einleiten. Einig sind sich alle drei, dass an einer Freistellung kein Weg vorbeiführt, bis alle Vorwürfe geklärt sind.

Vonseiten des Rathauses widerspricht man der Darstellung. Fetz sei zu keinem Zeitpunkt beratend oder projektbezogen tätig gewesen, da es dafür einen politischen Entschluss gebraucht hätte. “Die Notwendigkeit dieser Voraussetzung müsste auch Dr. Fetz aus seiner 25-jährigen Tätigkeit bei der Stadt bekannt sein.” Entsprechend werden alle Geldforderungen zurückgewiesen, man habe hier auch nicht an den Gremien vorbeigehandelt. Reichart hätte aber einen solchen Antrag unterstützt, falls er vorgebracht worden wäre, interpretiert das Stadtamtsbüro den Mailverkehr.
Die Gründung des “KSR Kunstvereins” und ähnlicher Vereine sei üblich, um diverse Subventionen lukrieren zu können. “Es ist richtig, dass es Überlegungen gibt, die Aufrechterhaltung des Kulturangebots auf anderem Wege sicherzustellen”, erklärt Bregenz die Vorgänge der vergangenen Tage. Bei einer Vereinsauflösung werde die Subvention retourniert, einen Missbrauch der Gelder gebe es daher nicht. ” An einer Aufklärung allfälliger Ungereimtheiten durch damit befasste Behörden werden die Stadt und natürlich auch die Leiterin des Kulturservice aktiv mitarbeiten”, betont die Stadt Bregenz. In dieser Funktion bleibe Reichart auch dezitiert tätig, bestätigt Bachmayr-Heyda: “Für mich ist weiterhin kein strafrechtlicher Vorwurf erkennbar.” Reichart hat dem auf VN-Anfrage nichts hinzuzufügen. Für sie gilt die Unschuldsvermutung.
Sandra Schoch, Vizebürgermeisterin (Grüne)
“Die vorgelegten Fakten zum Beraterhonorar und der Vereinsneugründung sind schwerwiegend. Im Umgang mit Steuergeld braucht es ein hohes Verantwortungsbewusstsein der Rathaus-MitarbeiterInnen. Durch Vorfälle wie diesen beschädigen Einzelne den guten Ruf der gesamten städtischen Verwaltung.”
Alexander Moosbrugger, Neos
“Leider müssen wir feststellen, dass es Mitarbeiter in der Verwaltung gibt, die einerseits von Ehrlichkeit reden, die aber gleichzeitig bis an die Grenze des Erlaubten nach scheinbar cleveren Auswegen suchen, um die gesetzlichen Vorgaben einer transparenten Bilanzierung innerhalb des städtischen Haushaltes zu umgehen. Die zweifelhaften Vorgänge im Kulturservice sind umfassend belegt und lassen zum aktuellen Zeitpunkt keinen Spielraum für Interpretationen. Deswegen müssen die schwerwiegenden Verdachtsmomente durch den Prüfungsausschuss umgehend und mit externer Unterstützung aufgeklärt werden.
Veronika Marte, ÖVP
Ohne Ausschreibung und Prüfung der Qualifikation hat Bürgermeister Ritsch bekanntlich mehrere bedeutende Posten im Rathaus vergeben. Was bei dieser unprofessionellen Vorgangsweise herauskommt sehen wir jetzt. Ritsch weiß seit mehreren Monaten, was im Kulturservice vor sich geht und sieht dem tatenlos zu. Die ihm bekannten Überlegungen, Beraterhonorare in der Buchhaltung des Kulturservice zu verstecken, hat Ritsch weder verhindert noch gemeldet oder sanktioniert.
Anmerkung: In einer früheren Version erklärte der Artikel, dass die Politiker sicher seien, dass der Verein zur Bezahlung Fetz’ dienen sollte. Dies war eine nicht korrekte Verkürzung der Darstellung. Dafür möchten wir uns entschuldigen.