Wunschzettel
Die Vorarlberger wollen wieder einmal eine Extrawurst in Wien.
Konkret geht es um die Möglichkeit, Volksabstimmungen auf Gemeindeebene auch gegen den Willen der gewählten Mandatare anzusetzen. Die Vorgeschichte ist weitgehend bekannt. Aufgrund des Einspruchs gegen die Volksabstimmung in Ludesch, erklärte der Verfassungsgerichtshof Teile des Vorarlberger Gemeindegesetzes und des Volksabstimmungsgesetzes als verfassungswidrig. Die von der Bevölkerung initiierte Volksabstimmung sei ein Verstoß gegen das Prinzip der repräsentativen Demokratie, lautete die Begründung der Verfassungsrichter. Das letzte Wort in strittigen Entscheidungen soll bei der politischen Mehrheit im zuständigen Gremium bleiben. Nur sie selbst kann beschließen, diese Verantwortung der Bevölkerung zu übertragen.
In Vorarlberg waren viele nicht glücklich über diese Rechtsmeinung. Zahlreiche Vereine und Initiativen haben den Wunsch nach Stärkung der Mitbestimmungsrechte nach Schweizer Vorbild eingefordert. Sie planen Demonstrationen und eine Petition an die EU. Findige Vorarlberger Nationalratsabgeordnete haben nun mittels eines Minderheitenverlangens mit dem dramatischen Titel „Rettet die direkte Demokratie“ eine Wiederaufnahme der Debatte im parlamentarischen Verfassungsausschuss erreicht. Reinhold Einwallner (SPÖ), Gerald Loacker (Neos) und Reinhard Bösch (FPÖ) gelang es so, das üblicherweise langatmige Prozedere im Parlament abzukürzen. Dennoch ließen die Regierungsparteien sie mit einem Gegenantrag auflaufen. Dieser beinhaltet den Auftrag an Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) gemeinsam mit den Landesverfassungsgesetzgebern zu ergründen, inwieweit Änderungen der bundesverfassungsgesetzlichen Rahmenbedingungen auf Grund regionaler Bedürfnisse angezeigt sind. Die Beratungen gehen also weiter, die Entscheidung ist wieder einmal vertagt.
Das letzte Wort in strittigen Entscheidungen soll bei der politischen Mehrheit im zuständigen Gremium bleiben.
Wären sich die Oppositionsparteien allerdings früher so einig gewesen über den Ausbau der direkten Demokratie, könnte die Bevölkerung wohl schon längst über die Köpfe der gewählten Gemeindemandatare hinweg entscheiden. Obwohl die Steiermärkische Landesverfassung eine ähnliche Regelung vorsieht und auch Salzburg ähnliche Pläne hatte, wird die erforderliche Verfassungsänderung wohl keine Mehrheit unter den Bundesländern finden.
Stellt sich abschließend die Frage, ob dies überhaupt wünschenswert ist. Wie ginge sie wohl aus, eine Abstimmung über den Umgang mit Ungeimpften? Über die Aufnahme von Asylsuchenden in der Gemeinde? Über größere Ausgaben für die Jugendeinrichtungen, für Notschlafplätze, für Drogenberatung? Demokratie ist viel mehr als eine Diktatur der Mehrheit. Gerade in Zeiten der zunehmenden Polarisierung und Komplexität sind einfache Ja-Nein-Fragen riskant.
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