Kunden nahmen Abschied vom Hatler Milchlädele

Im Hatlerdorf endet mit dem kleinen Geschäft ein Stück gelebte Nachbarschaft.
Dornbirn Samstag, 30. August, kurz nach neun Uhr. Im Hatler Milchlädele herrscht dichtes Gedränge, wie sonst nur vor Feiertagen. Doch diesmal hat es einen anderen Grund: Heute ist der letzte Tag. Viele wollen nicht nur die berühmten Käsemischungen und die guten Milchprodukte ein letztes Mal einkaufen, sondern vor allem dem Team “Adieu” sagen. Es gibt viele herzliche Umarmungen, manchmal sogar Tränen.

Neben der Kassa türmen sich Blumensträuße, Schokolade, selbst gebastelte Dankeskarten und bunte Zeichnungen von Kindern. Ladenleiterin Heidi Riedmann zeigt sich gerührt: “Ich hatte bereits gestern das ganze Auto voller Abschiedsgeschenke.” “Ja hallo Markus, schön, dich noch einmal zu sehen”, ruft sie, als sich die Tür öffnet. Fast jede Kundin und jeder Kunde wird hier noch mit Namen begrüßt. Auch das wird Geschichte sein.

Eine Frau läuft noch einmal rasch zurück ins Kühlregal und schnappt sich den letzten Joghurt. Um halb zehn ist die Milch bereits ausverkauft. In den Einkaufstaschen stapeln sich Mischungen für Spätzle, Rässkäse, Topfen und Butter.

Andrea Gutbrunner (55) verlässt das Geschäft mit einem schweren Korb. “Ich war Stammkundin und schon gestern einkaufen. Ich musste heute einfach noch einmal kommen, der Abschied fällt wirklich schwer”, sagt sie. Ihre Stimme klingt brüchig.

Ähnlich geht es Margit Fußenegger (54). “Erstens war der Käse hier günstiger – und zweitens gab es hier die beste Spätzlemischung.” Sie lacht kurz, dann wird sie still. Ihr Korb ist randvoll mit genau dieser Mischung, die viele Kunden als “die Beste” beschreiben.

Auch Monika Ilg hat es heute noch einmal ins Lädele gezogen. “Zwei-, dreimal die Woche war ich immer hier. Ich erinnere mich, wie ich früher noch die Kinder mit dem Rucksäckle geschickt habe.” Bei den Erinnerungen wird sie emotional.

Vor dem Kühlregal treffen wir Familie Steurer, ebenfalls mit bedrückten Gesichtern. An der Theke gibt es für die kleinen Töchter Annabella und Valentina wie immer ein Stückchen Käse. Als sie hören, dass das heute zum letzten Mal sein wird, blicken sie Mama Teresa traurig und fragend an. “Das ist wirklich sehr schade”, bedauert diese. “Wir sind immer so gerne in den Laden gekommen.”

Ein Ort voller Erinnerungen
Das Milchlädele war mehr als ein Geschäft. Seit April 2002 stand es für persönliche Beratung, bekannte Gesichter hinter der Theke und für die Gewissheit, dass man hier nicht anonym einkauft. Kein Wunder also, dass die Nachricht von der Schließung viele getroffen hat. Binnen weniger Tage lag eine Petition im Geschäft auf, die rasch Dutzende Unterschriften sammelte. Doch die Vorarlberg Milch, seit Juni mehrheitlich im Besitz der niederösterreichischen NÖM, blieb bei ihrem Entschluss. “Die Entscheidung fiel nach intensiver Prüfung”, hieß es in einer Stellungnahme. Eine wirtschaftlich tragfähige Fortführung sei nicht möglich gewesen. Stattdessen wolle man die Produktion in Feldkirch sichern. Für die Kundschaft in Dornbirn ist das nur ein schwacher Trost.

Wie geht es weiter?
Was aus den Räumlichkeiten im Hatlerdorf wird, ist noch offen. Verpächter Hans Haltmeyer bestätigt: “Es gibt Gespräche mit Interessenten, aber entschieden ist noch nichts. In den nächsten Tagen wissen wir mehr.” Vielleicht zieht wieder ein Nahversorger ein. Sicher ist nur, für die Menschen im Hatlerdorf ist das Ende des Milchlädeles ein tiefer Einschnitt. “Es war nicht nur der Käse”, sagt Margit Fußenegger, “es waren Gespräche und Begegnungen, die in einem größeren Einkaufsgeschäft eben nicht zustande kommen, und es war die Art, wie man hier behandelt wurde.” cth