Kathrin Stainer-Hämmerle

Kommentar

Kathrin Stainer-Hämmerle

Keine leeren Drohungen

Politik / 17.11.2021 • 06:30 Uhr


Keine leeren Drohungen

Zwischen den Zeilen fliegen momentan in Interviews die Messer tief und es trifft vor allem den Gesundheitsminister.

Alexander Schallenberg ließ in den letzten Tagen Wolfgang Mückstein deutlich spüren, wer Chef dieser Regierung ist. So fordert der Bundeskanzler zwar Geschlossenheit ein, widerspricht aber im selben Satz ohne mit der Wimper zu zucken seinem Regierungskollegen. Tourismusministerin Elisabeth Köstinger sekundiert fleißig bei der Beschädigung des Vertrauens in die Arbeitsfähigkeit von Türkis-Grün. Das Geplänkel wäre ja amüsant, hätten wir nicht den absoluten Höhepunkt einer Pandemie und Schallenberg bzw. Köstinger mehr Erfolg mit ihren Maßnahmen etwa beim eilig einberufenen „Tourismusgipfel“ oder allgemein bei der Impfquote in manchen ÖVP-geführten Bundesländern. Stattdessen wirken die Pressekonferenzen des momentanen „virologischen Quartetts“ mehr wie hilflose Appelle als notwendiges Leadership.

Einen besonders bemerkenswerten Satz sagte Schallenberg beinahe nebensächlich: „Es braucht eine gewisse Drohkulisse.“ Leider lieferte der Bundeskanzler keine Erklärung dazu, was er konkret damit meint. Eine Impfpflicht, den Lockdown für alle, die in Salzburg bereits anstehende Triage in ganz Österreich? Klar kommuniziert wird in diesen Tagen nur das Ziel einer höheren Impfquote. Bei den Maßnahmen verschwinden die Pläne der Regierung allerdings rasch im herbstlichen Nebel. Statt Aufklärung und Organisation scheint Schallenberg nun wieder auf Emotion zu hoffen.

Es ist offensichtlich: Wir sollen wieder Angst bekommen. So wie zu Beginn der Pandemie.

Wer noch journalistische Medien konsumiert (und das tun manche Impfgegner auf Anfrage seit Monaten nicht mehr), sieht auch dort einen Schwenk. Warnungen vor Auslastung der Intensivbetten, Schilderungen von erschöpftem Pflegepersonal, verschobene Operationen. Es ist offensichtlich: Wir sollen wieder Angst bekommen. So wie zu Beginn der Pandemie und nach zwei von der Politik verschlafenen „Sommer wie damals“:

Dabei gäbe es wohl gelindere Mittel die Impfbereitschaft zu steigern. Zum Beispiel mit Terminvergaben für Nichtgeimpfte, dazu einen beratenden Anruf von zielgruppengerechten Vertrauenspersonen wie Ärzten, lokalen Behörden oder Influencern oder kostenpflichtige Test inklusive ausreichendem Angebot und schneller Auswertung. Kontraproduktiv sind jedenfalls Stufenpläne, deren letzte Stufe offensichtlich nie zur Verwirklichung gedacht war, sowie nicht haltbare Versprechen („Für Geimpfte ist die Pandemie vorbei“, „Schulen bleiben offen“).

Wer mit Angst droht, aber gleichzeitig im Pandemiemanagement versagt, spielt nur einer Gruppe in die Hände: den Populisten. Die Angst vor der FPÖ lässt wohl alle Parteien vor Neuwahlen zurückschrecken. Noch, aber die Klammer zwischen Türkis-Grün ist dieser Tage lose geworden. Ein Showdown mitten im Lockdown wäre das Horrorszenario für diesen Winter.