Impfstoff plus

Politik / 26.11.2021 • 17:00 Uhr
Impfstoff plus

Die Pandemie dauert an. Für Geimpfte und für Ungeimpfte. Aus Südafrika ist die Meldung über eine besorgniserregende Variante des Corona-Virus gekommen. „B.1.1.529“ ist möglicherweise gefährlicher insofern, als sie ansteckender ist und bisherige Impfstoffe weniger Schutz gegen sie bieten. Sollten sich die Befürchtungen als unbegründet erweisen, verschafft das allenfalls eine Atempause. Zum einen ist laufend mit neuen Varianten zu rechnen, zum anderen gibt es ohnehin schon genug Probleme.

„Die Pandemie ist nichts für Parteipolitiker, die ausschließlich populär oder destruktiv sein wollen.“

Bei weitem nicht nur, aber auch in Österreich. Das politische Gerede von der „gemeisterten“ Gesundheitskrise war ebenso verhängnisvoll wie die Botschaft, dass für Geimpfte alles überstanden sei; ober wie die von einem Parteichef befeuerten Anti-Impfkampagnen.
Hier stehen keine Namen, weil es um die Sache geht: Durch die Gesellschaft geht ein Riss. Als Geimpfter bekommt man zu hören, dass Ungeimpfte verantwortlich seien für den gegenwärtigen Lockdown. Ungeimpfte erfahren, dass die Beschränkungen für sie fortgesetzt werden; wahrscheinlich, bis am 1. Februar die Impfpflicht steht.
Das führt zu einer Verhärtung und löst gar nichts. Im Gegenteil: Als Geimpftem dämmert einem, dass der Impfschutz befristet und bei zukünftigen Varianten vielleicht geringer ist; außerdem, dass man selbst immer auch ansteckend sein kann. Weg ist die Sorglosigkeit, zu der man sich ermuntern ließ.
Bei Ungeimpften ist die Bereitschaft, sich schützen zu lassen, in den vergangenen Tagen wiederum noch kleiner geworden als sie es ohnehin schon war. „Jetzt erst recht nicht“, sagen viele offenbar; bzw. „erst, wenn ich dazu verpflichtet werde“. Sollte sich das verfestigen, wird gut ein Drittel der Gesellschaft künftig nur noch tun, was vorgeschrieben ist. So lassen sich kommende Wellen noch schlechter bewältigen, wird der Gesetzgeber gar nicht nachkommen mit dem Beschluss nötiger Maßnahmen.
Was nun? Die Pandemie ist nichts für Parteipolitiker, die ausschließlich populär oder destruktiv sein wollen. Überfällig erscheint ein neuer Zugang: Wie bringt man – unter der Annahme, dass auch der Dritt- nicht der letzte Stich gewesen sein wird – etwa 90 Prozent der Bevölkerung dazu, sich regelmäßig impfen zu lassen? These: Mit einer persönlichen Einladung zu einem konkreten Impftermin und allenfalls einer Erinnerung, mit der ein verpflichtendes Arztgespräch zur Impfung einhergeht, würde man sehr nahe herankommen an eine solche Durchimpfungsrate und hätte eine der höchsten weltweit erreicht.
In Österreich ist die Durchimpfungsrate mit 66 Prozent schon heute höher als in Israel (63 Prozent). Das überrascht, gilt das Land doch immer als Vorbild. Ein Vorbild ist es aber, weil es eher beherzigt, was die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt und auch Österreich forcieren sollte: Eine „Impfstoff plus“-Strategie, sich also impfen lassen und zumindest in den Wintermonaten trotzdem weiter Maske tragen, Abstand halten und vorsichtig sein. Und vor Zusammenkünften testen. Auch wenn das bedeutet, dass es keine „Rückkehr zur Normalität“ gibt. Aber eine solche ist ohnehin nur Teil politischer Erzählungen.

Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.