Kathrin Stainer-Hämmerle

Kommentar

Kathrin Stainer-Hämmerle

Es bleibt die Hoffnung

Politik / 08.12.2021 • 11:00 Uhr

Der dritte Bundeskanzler in einem Jahr. Die 64. Angelobung in nur fünf Jahren. So lange dauert normalerweise eine Legislaturperiode. Theoretisch seit 2007, aber immer seltener in der Praxis. Von 2008 bis 2013 diente die Regierung das letzte Mal ihre volle Zeit. SP-Bundeskanzler Werner Faymann gewann mit „Genug gestritten“ die Wahlen und setzte auf Stabilität. Für personelle Wechsel sorgte bereits damals die ÖVP. Statt Vizekanzler Josef Pröll kam 2011 Michael Spindelegger. Im Innenministerium beerbte Johanna Mikl-Leitner Maria Fekter, die Finanzministerin wurde. In der Justiz folgte auf Claudia Bandion-Ortner Beatrix Karl, der wiederum Karl-Heinz Töchterle nachfolgte.

Die ehemals Große Koalition erarbeitete sich in dieser Phase den Ruf der „Stillstandskoalition“, obwohl sie mit der Finanzkrise 2008 inmitten einer nicht selbst verschuldeten Krise landete. Mit gerade 50,8 Prozent bildeten die Wahlverlierer Faymann und Spindelegger 2013 wieder eine gemeinsame Regierung. Gleichzeitig schaffte es die Strache-FPÖ in Umfragen auf Platz eins und hielt sich dort über Jahre. Bis 2017 Sebastian Kurz kam.

Doch statt einem Aufbrechen von verkrusteten Strukturen kommt die Innenpolitik seither überhaupt nicht mehr zur Ruhe. Das Vertrauen der Bevölkerung ist im Sinkflug Richtung Demokratiegefährdung. Das liegt zum Teil an globalen Herausforderungen: 2015 kamen die Flüchtlinge, 2019 Fridays for Future und 2020 Corona. Den größeren Anteil hat aber Sebastian Kurz mit seiner politischen Familie und seinem Experiment der neuen Volkspartei. Selbst eine perfekt gepflegte Oberfläche täuscht nur kurzfristig über mangelnde Substanz und fehlenden Anstand hinweg.

Nehammer mag nicht das rhetorische Talent von Kurz haben. Vielleicht ist er dafür ein besserer Bündnispartner und Sachpolitiker.

Karl Nehammer mag nicht das rhetorische Talent von Sebastian Kurz haben. Vielleicht ist er dafür ein besserer Bündnispartner und Sachpolitiker. Mittelfristig sind schöne Worte und leere Versprechen weniger wichtig als die richtigen Taten gepaart mit einem fairen Umgang. Die Pandemie ist nicht vorbei. Danach warten bereits mit Klimawandel, Pflege, Budgetdefizit oder gesellschaftlicher Spaltung jede Menge anderer Krisen. Es wird schwer werden, den Menschen wieder Hoffnung zu geben. Selbst wenn manche noch ans Christkind glauben.

Für mehr Stabilität braucht es vor allem eines: den Willen der Politik zur Kooperation über Partei- und Institutionengrenzen hinweg. Insofern ist ein Schritt zurück zur alten, schwarzen ÖVP kein Fehler. Innerparteiliche Demokratie sollte ohnehin das Rückgrat unseres politischen Systems bilden. Professionelle Kommunikation muss nicht gleich message control bedeuten, Mitsprache bei Postenbesetzungen nicht gleich Postenschacher für Unqualifizierte. Es gilt das Beste aus beiden Welten – der türkisen und schwarzen – zu vereinen.