Krieg in Europa
Wenn Krieg herrscht, fehlen die Worte für das Unbegreifliche. Das irrationale Handeln Wladimir Putins lässt sich nicht analysieren. Klar ist nur: Viele Menschen sterben und noch mehr leiden unter den Wahnvorstellungen eines Tyrannen. Nichts könnte uns den Wert von Demokratie deutlicher vor Augen führen. Denn diese führen keine Kriege gegeneinander. Was nicht heißt, dass Demokratien keine Kriege führen, nur meist ist der Gegner ein autokratisches System.
Stärkung der Demokratie heißt also Friedenssicherung. Die Kooperation zwischen Staaten ist eine andere Möglichkeit. Doch hier zeigen sich in diesen Tagen auch die Irrwege. Enge wirtschaftliche Verflechtungen ließen manche Staaten und Staatenlenker bei Sanktionen gegen Russland zögern. Wirksame Strafmaßnahmen treffen immer auch uns selbst. Die Zeichen für die Zukunft stehen daher wieder auf mehr Autarkie: bei Energieversorgung und Rohstoffen, ebenso bei der Herstellung von Chips und Medikamenten. Doch kein Land der Erde wird sich zukünftig selbst genügen. Daher gilt es auch danach und über Russland hinaus genauer hinzusehen, welche politischen Ideen wir mit unseren Wirtschaftsbeziehungen unterstützen.
Der Krieg mitten in Europa bedeutet für die EU einen Wendepunkt. Die momentane Einigkeit muss genutzt werden, etwa für ein gemeinsames Asylwesen. Die Ukraine sei nicht Afghanistan, meinte Bundeskanzler Nehammer. Aus Sicht der Österreicher stimmt diese Aussage. Aus Sicht einer flüchtenden Familie allerdings nicht. Das Recht auf Schutz muss zukünftig von der EU solidarisch garantiert werden, verknüpft mit der Unterstützung von demokratischen Kräften vor Ort über humanitäre Hilfe hinaus. Wir sollten aber auch über eine EU der zwei Geschwindigkeiten nachdenken, die eine rasche Erweiterung mit vertiefter Zusammenarbeit vereint.
Wenn anderswo Krieg herrscht, relativiert sich die Wahrnehmung von eigenen Problemen. Das gilt wohl für den heute beginnenden U-Ausschuss. Karl Nehammer muss als Erster den Abgeordneten Rede und Antwort stehen für die Regierungszeit seines Vorvorgängers Sebastian Kurz. Ob ihm dabei eine glaubhafte Distanzierung gelingt, ist inzwischen unerheblich. Nehammer hat mit seiner Kompetenz als Soldat seine Rolle als Krisenkanzler gefunden. Parteipolitisches Hickhack wird weniger ihm schaden als dem Vertrauen in die Politik generell.
Denn wenn Krieg herrscht, gilt es neben Haltung auch Vernunft zu bewahren. Die Tiroler Wahl zeigt, dass die Bäume für die MFG nicht in den Himmel wachsen. Ein Glück für Österreich, denn Parteichef Michael Brunner bezeichnet die Sanktionen der EU als ebenso völkerrechtswidrig wie Russlands Vormarsch in die Ukraine. Mit einer derartig selektiven Sicht auf Grundrechte sowie Täter-Opfer-Umkehr ist der Demokratie wirklich kein guter Dienst getan.
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