Frauengewaltschutz nicht als Eintagsfliege platzieren

Sozialminister Johannes Rauch will Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen auf den Weg bringen.
Wien Pandemie, Ukraine-Krieg, Inflation: Durch das aktuelle Weltgeschehen rücken derzeit auch wichtige Themen, wie die hohe Zahl an Frauenmorden in Österreich, in den Hintergrund. Der neue Gesundheits- und Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) brachte es bei seiner Einstandspressekonferenz wieder auf den Tisch: Der Schutz von Frauen gegen meist männliche Gewalt soll gestärkt werden. Diesen Punkt wiederholte Rauch im VN-Interview in der vergangenen Woche: „Ja, die Fälle werden, sobald sie aus den Schlagzeilen heraus sind, verdrängt. Dass Österreich eines der Länder mit der höchsten Anzahl an Femiziden ist, das kann man nicht kommentarlos hinnehmen. Das schaffe ich nicht.“
Laut Kriminalstatistik wurden im Vorjahr 29 Frauen ermordet. Das Auffällige, neben der hohen Zahl: Die Umstände und Motive bei Morden an Männern sind sehr heterogen. Frauen werden hingegen überwiegend zu Hause und meist von Männern ermordet, mit denen sie in einer engen Beziehung standen. Für das Jahr 2020 liegen auch weitere Zahlen vor: 20.587 Opfer von familiärer Gewalt wurden von Gewaltschutzzentren und Interventionsstelen betreut. Etwa 82 Prozent davon waren Frauen und Mädchen. 91 Prozent der Gefährder waren Männer.
Dringlichkeit und Wichtigkeit“
Rauch betonte im VN-Interview, dass das Thema „eine Dringlichkeit und Wichtigkeit“ habe, „sodass dort auch Geld hineinfließen muss“. Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser, begrüßt diese Pläne, auch wenn sie noch keine Details weiß. Denn das aktuelle Gewaltschutzbudget reiche „sicher nicht“. Die im Vorjahr budgetierten 25 Millionen Euro für Gewaltschutz seien lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein. „Gewalt macht krank“, sagt Rösslhumer. Sie betont, dass es daher auch Mittel aus dem Topf des Gesundheitsministeriums brauche und verweist auf eine Studie der EU. Darin werden die Folgekosten von Gewalt in Österreich mit rund 3,7 Milliarden Euro jährlich beziffert.

Frauenschutzorganisationen forderten zuletzt rund um den Frauentag am 8. März erneut 228 Millionen Euro sowie 3000 zusätzliche Vollzeitstellen für die Gewaltprävention. Um etwas zu ändern, müsse verstärkt in Prävention investiert werden, sagt Rösslhumer. Vier Millionen Euro seien Männerberatungsstellen zur Verfügung gestellt worden, sagt sie und ergänzt: “Ein großes Anliegen ist uns, dass niFrauenschutzorganisationen forderten zuletzt erneut 228 Millionen Euro sowie 3000 zusätzliche Vollzeitstellen für die Gewaltprävention. Um etwas zu ändern, müsse verstärkt in Prävention investiert werden, sagt Rösslhumer. Vier Millionen Euro seien Männerberatungsstellen zur Verfügung gestellt worden. „Ein großes Anliegen ist uns, dass nicht nur Burschen und Männer unterstützt werden, sondern auch die Gewaltpräventionsprogramme für Mädchen und junge Frauen. Sonst entsteht eine Schieflage.“
An Gewaltschutzpaket anknüpfen
Rauch möchte nun an das Gewaltschutzpaket anknüpfen, dass sein Vorgänger Wolfgang Mückstein angestoßen hat. Rösslhumer nennt das neue und wichtige Nachbarschaftsprojekt „StoP- Stadtteile ohne Partnergewalt“ und das weite Themenfeld, das der Verein aktuell beschäftigt: Bei Gewalt gegen ältere Frauen gebe es noch keine wirklich guten Ansätze. Hier hat der Verein AÖF ein EU-Projekt am Laufen, das weitergefördert werden sollte. Dazu gehören Fragestellungen wie folgende: Wie erkennt man Misshandlung? Was tun mit älteren Gewalttätern? Es braucht hier vor allem eine Koordinierung von multiinstitutioneller Zusammenarbeit.
Zudem will die Leiterin der Autonomen Frauenhäuser wieder eine bessere Einbindung und einen breiteren Dialog erreichen. „Die Regierung schießt immer wieder mit neuen Maßnahmen hinaus, aber wir wurden nicht eingebunden. Ein Beispiel ist die ‚Stille Notruf-App‘. Man muss sich fragen: Erreichen wir damit wirklich Frauen in Gefahr?“ Die Idee: Frauen sollen im Notfall mit nur einem Klick Hilfe rufen können. In der Praxis ist das Projekt für Experten jedoch ungeeignet, da Partner die App am Handy finden könnten und die Registrierung mit der Adresse eine Hürde darstellt.
Zudem will die Leiterin des Vereins der Autonomen Frauenhäuser wieder eine bessere Einbindung und einen breiteren Dialog erreichen. „Die Regierung schießt immer wieder mit neuen Maßnahmen hinaus, aber wir wurden nicht eingebunden. Ein Beispiel ist die ‚Stille Notruf-App‘. Man muss sich fragen: Erreichen wir damit wirklich Frauen in Gefahr?“ Die Idee: Frauen sollen im Notfall mit nur einem Klick Hilfe rufen können. In der Praxis ist das Projekt für Experten jedoch ungeeignet, da Partner die App am Handy finden könnten und die Registrierung mit der Adresse eine Hürde darstellt.
Ein anderer Kritikpunkt betrifft die – prinzipiell sinnvolle – verpflichtende Täterberatung. Diese beträgt nur sechs Stunden. Rösslhumer plädiert für längere Programme. Und auch die Gefährlichkeitsprognose und bessere Beweisermittlung von Tätern nach Anzeigen fehle. Prinzipiell brauche es, so Rösslhumer, „Wie in der Istanbulkonvention drinnen steht, keine einzelnen Maßnahmen und Projekte, sondern ein Zusammenspiel und einen ganzheitlichen Ansatz“. Der Sozialminister sagte, dass auch er einen „koordinierten Weg“ weitergehen will, und versprach, er werde das Thema „nicht als Eintagsfliege platzieren“.