Besorgnis über Entwicklungen

Politik / 28.03.2022 • 22:37 Uhr
In ihrem Menschenrechtsbericht kritisierte Amnesty unter anderem fehlende wirksame Untersuchungen von Polizeigewalt und verbotene Versammlungen.APA
In ihrem Menschenrechtsbericht kritisierte Amnesty unter anderem fehlende wirksame Untersuchungen von Polizeigewalt und verbotene Versammlungen.APA

Amnesty legte Menschenrechtsbericht für Österreich – keine „Insel der Seligen“ – vor.

Wien Amnesty International beklagt eine Vielzahl von Verstößen gegen die Menschenrechte auch in Österreich. Im heute veröffentlichten International Report 2021/22 zur Lage der Menschenrechte kritisiert die NGO neben unzureichenden Sozialleistungen etwa mangelhafte Ermittlungen gegen Polizeigewalt, ungerechtfertigte Abschiebungen und Pushbacks von Asylsuchenden sowie mangelnden Schutz von Whistleblowern und Probleme mit Diskriminierung.

„Die Politik muss endlich erkennen, dass wir nicht die Insel der Seligen sind“, mahnt Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich. Viele Probleme würden schon seit Jahren bestehen – es sei jedoch vonseiten der Politik versäumt worden, etwas daran zu ändern. Der Jahresbericht 2021/22 von Amnesty International umfasst 154 Länder, darunter auch Österreich.

Mängel im Sozialbereich

In dem Report werden etwa unzureichende Sozialleistungen und fehlende Maßnahmen zur Bekämpfung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit kritisiert. Das 2021 von sechs Bundesländern umgesetzte Sozialhilfe-Grundgesetz sei nicht ausreichend, um ein Mindestmaß an finanzieller Unterstützung und damit ein menschenwürdiges Leben sicherzustellen.

Ebenso notwendig seien Reformen, um die Rechte der sogenannten 24-Stunden-Betreuerinnen in Österreich besser zu schützen. Speziell Migranten und Migrantinnen würden aufgrund von Mehrfachdiskriminierung Schwierigkeiten beim Zugang zu Sozialleistungen haben. „Der neue Gesundheits- und Sozialminister Johannes Rauch hat das Thema Pflege und Armutsbekämpfung auf seine Agenda geschrieben. Wir hoffen, dass dies nicht nur ein Antrittsversprechen bleibt“, mahnt Schlack in Richtung Politik.

Außerdem kritisiert Amnesty International „unverhältnismäßige Einschränkungen von friedlichen Versammlungen“. Basierend auf Rechtsgrundlagen zur Bekämpfung der Coronapandemie wurden einige Versammlungen verboten. Manchmal entschieden Gerichte nachträglich, dass die Verbote eine unverhältnismäßige Einschränkung des Rechts auf friedliche Versammlung darstellten.

Nicht umgesetzte Ankündigungen

Amnesty International fordert außerdem wirksamere Untersuchungen von Polizeigewalt. Die von der Regierung im Jänner 2020 angekündigte unabhängige Ermittlungs- und Beschwerdestelle zur Untersuchung von Misshandlungsvorwürfen sei bis Ende 2021 noch nicht eingerichtet worden.

Besorgt zeigte sich Amnesty – gemeinsam mit anderen Organisationen – auch über die Entwicklung im Bereich der Pressefreiheit. Die strafrechtliche Verfolgung von Julian H., der eine Schlüsselrolle bei der Erstellung des sogenannten „Ibiza-Videos“ gespielt hatte, wurde von ihnen als unverhältnismäßig bezeichnet. „Die Regierung hat menschenrechtlich wichtige Reformen angekündigt, die bisher jedoch nicht umgesetzt wurden. Wir warten nach wie vor auf konkrete Gesetzesvorschläge für die Schaffung eines Informationsfreiheitsgesetz, die Abschaffung des Amtsgeheimnisses, eine grundlegende Reform des Maßnahmenvollzuges sowie die Umsetzung der EU- Whistleblower-Richtlinie“, so Schlack.

Reiche Länder als „Egoisten“

Weiters beklagte die Menschenrechtsorganisation den „Egoismus“ und „Rassismus“ der reichen Staaten etwa in Bezug auf die Corona-Impfung, die Klimapolitik und die Migrationspolitik. Insbesondere übte die Organisation Kritik an der Entscheidung westlicher Staaten, Millionen von Impfdosen zu bunkern, während viele Bürger ärmerer Länder nicht einmal die Chance bekommen hätten, gegen Covid-19 geimpft zu werden.

„Entwickelte Länder saßen (im vergangenen Herbst, Anm.) auf einer halben Milliarde überzähliger Dosen – genug, um mehrere der am geringsten immunisierten Nationen der Welt durchzuimpfen. Während die Vorstandsvorsitzenden und Investoren von Unternehmen (gemeint sind Pharmafirmen, Anm.) dicke Gewinne einstrichen, wurde jenen, die die Impfung dringend benötigten, gesagt, sie sollten warten. Und sterben“, kritisierte Generalsekretärin Agnès Callamard in ihrem Vorwort zu dem Bericht. Sie bezeichnete die Weigerung von Pharmafirmen und Ländern, den Patentschutz für die Corona-Impfstoffe vorübergehend aufzuheben, als „rassistische Politik“. Amnesty sieht diesen „Rassismus“ außerdem auch bei der „Abschreckung“ von Migranten und Asylwerbern durch Regierungen reicher Länder gegeben.

„Die Politik muss endlich erkennen, dass wir in Österreich nicht die Insel der Seligen sind.“