Kathrin Stainer-Hämmerle

Kommentar

Kathrin Stainer-Hämmerle

Oho Vorarlberg

Politik / 27.04.2022 • 05:00 Uhr

Nun hat es also auch Vorarlberg erwischt. Ausgerechnet das „subere Ländle“ steht seit Tagen in den Schlagzeilen. Nicht wegen wirtschaftlicher Erfolge, sportlicher Leistungen oder mit Mahnungen an Wien, sondern aufgrund intransparenter Parteifinanzierung, gierigen Funktionären, Druck auf Wirtschaftstreibende, Steuerhinterziehung, Verdacht der Korruption und einem Landeshauptmann, der nach seinen eigenen Worten „zu lange zugeschaut hat“.

Am Ruf der „Besten im Westen“ hat die dort durchgehend regierende ÖVP jahrzehntelang gearbeitet, nun verspielt sie ihn innerhalb weniger Tage durch Sturheit, Uneinsichtigkeit und Arroganz. Denn nicht nur ÖVP-Mitglieder und -Wähler sind irritiert wegen der Vorgänge im Wirtschaftsbund, die Bevölkerung insgesamt erträgt es schwer, wenn Politiker sich nicht an Regeln halten. Immerhin sind sie diejenigen, die Gesetze beschließen.

Markus Wallner scheint selbst noch zu empört über die Vorgänge in seiner eigenen Partei und die Kritik an ihm, um seine eigene Verantwortung bei allem zu erkennen. Dabei ist zu trennen zwischen Parteienfinanzierung (der viel zu schnell das Attribut „illegal“ vorangestellt wird) und der Verwendung öffentlicher Gelder. In beiden Bereichen würde mehr Transparenz wohl Wunder wirken, doch die Gesetze sind zu schwach, der Wille der ÖVP noch schwächer. Wallner verantwortet als Parteichef selbstverständlich die Zustände in einer Teilorganisation. Als Landeshauptmann steht er für den Ruf des Landes und das Vertrauen in Politik. Die mangelnde Übung im Krisenmanagement ist keine Ausrede für seine dünnhäutige Reaktion auf Kritik.

„Die mangelnde Übung im Krisenmanagement ist keine Ausrede für Wallners dünnhäutige Reaktion auf Kritik.“

Ob der einzige Ausweg Rücktritt und eventuell Neuwahlen sind, entscheidet zunächst Wallner selbst mit seinem Gewissen und moralischen Ansprüchen. Dann entscheidet die Partei – wahrscheinlich auf Grundlage von Umfragen, ob sie ihn weiter stützt. Doch der Wirtschaftsbund als mächtigste Teilorganisation ist derzeit mit sich selbst beschäftigt und hat weder Zeit noch Motivation für Nachfolgersuche. Gebetene wie ungebetene Ratschläge gibt es ausreichend: von ehemaligen Parteigranden bis zu einfachen Bürgern, von allen Teilen des Landes bis Wien. Schließlich steht Bundeskanzler Karl Nehammer vor seiner Wahl als Bundesparteichef. Er muss bei dieser Jubelveranstaltung ohnehin fürchten, dass der Applaus für seinen Vorgänger Sebastian Kurz zu lange ausfällt.

Sollte es der ÖVP gelingen, die Reihen dicht zu halten, liegt es an den Grünen. Sie koalieren in Vorarlberg wie im Bund mit jener Partei mit den meisten Ermittlungen gegen (ehemalige) Spitzenfunktionäre. Die Flucht nach vorne ist der Beschluss strenger Regelungen. Der Entwurf des neuen Parteienfinanzierungsgesetzes im Bund und im Ländle wird daher in den nächsten Tagen von allen Seiten genau seziert werden. Wie ernst ist es den Parteien nun mit Transparenz und Kontrolle, mit wirksamen Strafen und dem Verhindern aller Umgehungsmöglichkeiten bei Spenden und Steuern?