Vollständiges Öl-Embargo vom Tisch

Politik / 30.05.2022 • 22:41 Uhr
Ungarns Regierungschef bezeichnete den Vorschlag als einen guten Ansatz, stellte aber Forderungen. Reuters
Ungarns Regierungschef bezeichnete den Vorschlag als einen guten Ansatz, stellte aber Forderungen. Reuters

EU-Gipfel ringt nach Blockade Ungarns um eine Einigung. Eingeschränktes Verbot wahrscheinlich.

brüssel Die Pläne für ein vollständiges europäisches Öl-Embargo gegen Russland sind wegen einer Blockade Ungarns vorerst vom Tisch. Bei einem Gipfeltreffen in Brüssel zeichnete sich am Montagabend ab, dass die 27 EU-Staaten – wenn überhaupt – in den nächsten Tagen nur ein eingeschränktes Verbot von russischen Öl-Importen beschließen. Demnach würden nur Lieferungen über den Seeweg unterbunden. Der Bezug per Pipeline wäre hingegen weiter möglich. Ungarn könnte sich somit weiterhin auf dem Landweg über die riesige Druschba-Leitung versorgen.

Diesen Kompromiss schlug die EU-Kommission unter ihrer Präsidentin Ursula von der Leyen angesichts der bisherigen Blockade aus Budapest kurz vor dem Gipfel zu Russlands Krieg gegen die Ukraine vor. Ungarns rechtsnationaler Regierungschef Viktor Orban begrüßte dies, stellte aber neue Forderungen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj äußerte Unverständnis über das zögerliche Vorgehen der EU beim neuen Sanktionspaket. „Warum kann Russland mit dem Verkauf von Energie immer noch fast eine Milliarde Euro pro Tag verdienen?“, fragte Selenskyj, der per Video zugeschaltet war.

90 Prozent weniger Öl

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte zu den jüngsten Entwicklungen: „Alles, was ich höre, klingt danach, als ob es einen Konsens geben könnte.“ Er machte zugleich deutlich, dass Deutschland ebenso wie Polen nicht von der Ausnahme für Pipeline-Öl profitieren will. Auch EU-Ratspräsident Charles Michel und andere Gipfelteilnehmer zeigten sich optimistisch, dass nach wochenlangem Streit ein Kompromiss gelingt.

Nach Angaben des niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte würde das Embargo trotz der Ausnahmeregelung in Zukunft dazu beitragen, die russischen Ölverkäufe in die EU um rund 90 Prozent zu reduzieren.

Neben Ungarn könnten auch die Slowakei und Tschechien von der Ausnahme profitieren. Neben Deutschland und Polen sind dies die anderen beiden EU-Länder, die noch an der Druschba-Leitung hängen. Der ursprüngliche Vorschlag der Kommission sah vor, wegen des Ukraine-Kriegs den Import von russischem Rohöl in sechs Monaten und den von Ölprodukten in acht Monaten komplett zu beenden. Lediglich Ungarn und die Slowakei sollten 20 Monate Zeit bekommen.

Kritik an EU-Kommission

Bundeskanzler Karl Nehammer hat im Streit um das EU-Embargo gegen russisches Öl für Ungarn Verständnis gezeigt. Dass Ungarn dementsprechend Kompensationen fordere, „diesen Weg unterstützt Österreich“, so Nehammer. Gleichzeitig machte er die EU-Kommission für die hitzige Debatte um das Öl-Embargo verantwortlich. „Ich bin sehr erstaunt darüber, welchen Weg die EU-Kommission gewählt hat, dieses schwierige Thema für den Rat vorzubereiten“, kritisierte er die Brüsseler Behörde.