Die abgemachte Annexion

Politik / 27.09.2022 • 22:52 Uhr
Ohne Kuvert, ungefaltet: Eine geheime Wahl ist nicht möglich. AP/Moscow News Agency
Ohne Kuvert, ungefaltet: Eine geheime Wahl ist nicht möglich. AP/Moscow News Agency

Russland dürfte versuchen, aus Angriffskrieg einen Verteidigungskrieg zu machen.

Kiew, moskau In vier besetzten Gebieten der Ukraine ist der letzte Abstimmungstag der Scheinreferenden abgelaufen, erste Prognosen sprechen von weit über 90 Prozent für die Annexion durch Russland. Die Abstimmung widerspricht dem geltenden Völkerrecht und wurde unter Kriegsrecht durchgeführt. Aufnahmen aus den besetzten Gebieten zeigten bewaffnete russische Soldaten, die von Tür zu Tür gingen, um Druck auszuüben, abzustimmen. Der Ausgang im Sinne des Kreml galt als vorbestimmt.

Russland droht mit Atomschlag

Nun erwarten die westlichen Verbündeten der Ukraine, dass noch diese Woche eine Annexion der ukrainischen Gebiete verkündet wird. Dies würde, gerade aus russischer Sicht, die Situation im Kriegsgebiet verändern, betonen militärische Beobachter. So ist zwar der Einsatz von Wehrpflichtigen im Offensivkrieg untersagt, aber nicht der Einsatz innerhalb Russlands. Denkbar wäre daher eine Verlegung von Wehrpflichtigen ins besetzte Hinterland oder in Defensivpositionen, um Berufssoldaten für Offensiven nutzen zu können. Auch greift dann die Drohung vom Einsatz von Atomwaffen zur Verteidigung von russischem Boden.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow erklärte am Dienstag, nach den Abstimmungen werde sich die rechtliche Situation radikal ändern, „mit allen damit einhergehenden Konsequenzen für den Schutz dieser Gebiete und der Gewährleistung ihrer Sicherheit“. Der Vizevorsitzende des russischen Sicherheitsrats, Ex-Präsident Dmitri Medwedew, spekulierte mit Blick auf die Versuche der Ukraine, von Russland besetzte Territorien zurückzuerobern, unverblümt über den Einsatz von Atomwaffen gegen das Land. Die NATO verstünde, dass „wenn eine Bedrohung für Russland eine bestimmte Gefahrengrenze überschreitet, wir reagieren müssen, ohne irgendjemandes Zustimmung einzuholen und lange Konsultationen abzuhalten“. Die USA wiesen im Gegenzug darauf hin, dass der Einsatz von Atomwaffen nicht akzeptiert werde.

Bulgarien: Verlassen Sie Russland

Während wehrpflichtige Russen verstärkt bei der Ausreise in die Türkei, Georgien und Kasachstan beobachtet werden, rät Bulgarien seinen Staatsbürgern, Russland zu meiden. Das Außenministerium in Sofia begründete dies mit der „komplizierenden Lage“ in Russland. Die EU überlegt derweil laut, die Verantwortlichen für die Referenden in die Sanktionsliste der Union aufzunehmen. Die Sanktionsliste umfasst bereits mehr als 1200 Verantwortliche in Russland und Belarus.