Gerold Riedmann

Kommentar

Gerold Riedmann

Großquartiere für Geflüchtete

Politik / 18.11.2022 • 21:41 Uhr

Wie die Vorarlbergerinnen und Vorarlberger 2015 mit geflüchteten Menschen umgingen, wird nicht so schnell vergessen werden. Der damalige Landesrat Erich Schwärzler (ÖVP) nahm alle Bürgermeister in die Pflicht. Zwar dienten auch Tennis- und Fabrikhallen in Zeiten hohen Andrangs als Zufluchtsstätte, doch größere Quartiere wurden schnellstmöglich wieder rückgebaut. Nun ist wieder eine Zeit, in der es konkrete Vorbereitungen zur Umrüstung von Fabrikhallen für Geflüchtete gibt.

Die Frage, wie wir mit Menschen auf der Flucht umgehen, ist sieben Jahre später noch immer nicht geklärt. Seit Wochen spielt sich ein Schmierenstück rund um Zuständigkeiten von Land und Bund ab – im Mittelpunkt als Drohgebärde: Zelte. Zeichen des Kontrollverlustes, Zeichen von “Gefahr in Verzug”. Der ÖVP-Innenminister Gerhard Karner ließ seinen Parteifreunden Landeshauptmann Markus Wallner und Sicherheitslandesrat Christian Gantner Zeltlieferungen in den Vorgarten legen, um den Druck zu erhöhen, Quartiere aufzutun. Denn die Länder lagen und liegen mit der ihnen zugeteilten Quote zur Aufnahme von Geflüchteten weit hinter dem Vereinbarten. Als Sebastian Kurz in einer Chat-Nachricht an Thomas Schmid in anderem Zusammenhang schrieb, ob er ein “Bundesland aufhetzen” könne, meinte er vermutlich Vorgänge wie diese. Eine pure Provokation. Würden Menschen in Zelten einquartiert, “holen wir sie innerhalb von 20 Minuten raus und bringen sie in eine Turnhalle”, empörte sich Landeshauptmann Wallner. Zwar scheint die Beziehung zwischen Land und dem Innenministerium zwischenzeitlich nicht mehr derart unterkühlt, beteuern beide Seiten. Doch vor drei Tagen wurde erneut Material für Zelte abgeladen, dieses Mal in Dornbirn. Was manche schon als Zeichen gegen Vorarlbergs größte Stadt interpretierten, soll offenbar ein Zustellfehler des Ministeriums gewesen sein. 

4000 Menschen sollte Vorarlberg laut Quote aufnehmen, bei 3000 liegt man derzeit. In den vergangenen Wochen habe Vorarlberg überproportional Schutzsuchende aufgenommen. Aktuell sind Geflüchtete in 77 von 96 Gemeinden. Sind die rund 2000 Kriegsvertriebenen aus der Ukraine zu 70 Prozent Frauen und Kinder, so gilt für die Asylsuchenden aus Afghanistan, Syrien, Irak und Indien das Gegenteil: sie sind zum überwiegenden Großteil junge Männer. Hunderte Ukrainerinnen haben in Vorarlberg bereits Jobs gefunden, sie fallen somit aus der Quote, dürfen aber in ihren Wohnungen bleiben.

Die wöchentlich 40 Neuankömmlinge innerhalb von Stunden in Wohnungen unterzubringen, sei nicht mehr machbar. Deshalb ist das Land Vorarlberg schon seit geraumer Zeit auf der Suche nach Fabrikhallen, um eine größere Anzahl an Geflüchteten dort zeitweise unterzubringen. Dies soll nach VN-Informationen in einer Halle im Vorarlberger Unterland geschehen, von bis zu 150 Menschen ist die Rede. Auch weitere Objekte seien in Prüfung, offiziell kommunizieren will die Landesregierung dies kommende Woche. Landeshauptmann Markus Wallner sprach zuletzt davon, bis Weihnachten 300 zusätzliche Plätze im Land zu schaffen.

Die Flucht ist zurück im Fokus.