Peter Bußjäger

Kommentar

Peter Bußjäger

Proporzsystem

Politik / 17.02.2023 • 06:30 Uhr

Die Landtagswahl in Niederösterreich hat die ÖVP bekanntlich empfindlich geschwächt und für die FPÖ mit einem beachtlichen Zugewinn an Stimmen geendet. Die FPÖ wird in der künftigen Landesregierung insgesamt drei von neun Regierungsmitgliedern stellen. Das ist das Resultat des in der niederösterreichischen Landesverfassung verankerten Proporzsystems, wonach alle größeren im Landtag vertretenen Parteien im Verhältnis zu ihrem Stimmenanteil Anspruch auf Vertretung in der Landesregierung haben.

„Das Mehrheitssystem sorgt jedoch für stärkeren Wettbewerb unter den Parteien und stärkt die Opposition im Landtag.“

Das Proporzsystem gibt es außer in Niederösterreich nur noch in Oberösterreich. Sein Gegenstück ist das Mehrheitssystem, bei dem es ausschließlich von der Landtagsmehrheit abhängt, welche Personen in die Landesregierung gewählt werden. Wenn keine Partei die absolute Mehrheit erlangt, bedarf es einer Koalition zwischen mehreren Parteien, die dann über die Zusammensetzung der Regierung entscheidet.

In Vorarlberg wurde die in der Krisenzeit nach dem Ersten Weltkrieg eingesetzte Proporzregierung als erstes Bundesland Österreichs bereits 1923 abgeschafft. Der christlich-soziale Landeshauptmann Ender wollte nicht länger gezwungen sein, trotz absoluter Mehrheit mit den Sozialdemokraten in der Landesregierung zusammenarbeiten zu müssen. Bei einem Gespräch mit einem Verfassungsjuristen im Bundeskanzleramt in Wien wunderte sich der Beamte, dass die Länder überhaupt Proporzregierungen eingeführt hatten. Und ja, selbstverständlich sei das Land frei, in seiner Verfassung das Mehrheitssystem einzuführen, wurde dem Landeshauptmann ausgerichtet. Die Sozialdemokraten tobten im Landtag, konnten die Änderung der Landesverfassung jedoch nicht verhindern. Ender verdrängte sie zwar nicht völlig von der Regierungsbank, sondern gab ihnen freiwillig einen Sitz. Das war aber nur ein Almosen, nicht mehr.

Insgesamt ist das Mehrheitsprinzip wohl das modernere System als der Proporz. Letzterer ist zwar demokratisch gerechter, weil er jeder größeren Partei ermöglicht, in der Landesregierung mitzuwirken. Das Mehrheitssystem sorgt jedoch für stärkeren Wettbewerb unter den Parteien und stärkt die Opposition im Landtag. Ein weiterer Vorteil ist, dass im Mehrheitssystem die Regierungspartner nicht schlechthin jede Person als Landesrat akzeptieren müssen, welche eine andere Partei nominiert. Insoweit war der damalige von Machtkalkül getragene Schritt Otto Enders durchaus zukunftsweisend.

Peter Bußjäger ist Direktor des ­Instituts für Föderalismus und ­Universitätsprofessor in Innsbruck.