Krise überschattet Jubiläum

Politik / 24.04.2023 • 22:38 Uhr
Zahlreiche Menschen protestieren gegen die Justizreform. Das Foto stammt aus Tel Aviv, Mitte April. Mit neuen großen Demos wird gerechnet. AP
Zahlreiche Menschen protestieren gegen die Justizreform. Das Foto stammt aus Tel Aviv, Mitte April. Mit neuen großen Demos wird gerechnet. AP

75 Jahre Israel: Streit um Justizreform vertieft Risse in der Gesellschaft.

tel aviv Israels Gründung nur drei Jahre nach dem Holocaust galt vielen als echtes Wunder. Das 75. Jubiläum des jüdischen Staats sollte daher ein äußerst freudiger Anlass sein – die Feiern werden aber überschattet von einer schweren Krise.

Große Demo angekündigt

Der Streit um die geplante Justizreform der rechts-religiösen Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat vorhandene Risse in der Gesellschaft dramatisch vertieft. Staatspräsident Yitzhak Herzog sah die „schlimmste interne Krise seit der Gründung des Staates“ vor 75 Jahren. Gleichzeitig äußerte er in einem Interview mit ynet die Hoffnung, das Land könne gestärkt aus dem Drama hervorgehen. Die Unabhängigkeitsfeiern, die sich am hebräischen Kalender orientieren, beginnen heute, am Abend des 25. April. Gegründet wurde der Staat am 14. Mai 1948.

Für Juden aus aller Welt erfüllte sich 1948 der Traum einer eigenen Heimstätte, einem sicheren Fluchtort vor Antisemitismus und jahrhundertelanger Verfolgung. Die Einwanderung nach Israel feierten viele als Rückkehr in eine uralte Heimat. Für die Palästinenser begann dagegen ihr Unglück. 700.000 mussten im Zuge der Staatsgründung sowie des ersten Nahostkriegs 1948 fliehen oder wurden vertrieben. Unmittelbar nach Ausrufung des jüdischen Staats hatten fünf arabische Staaten Israel angegriffen. Die Zahl der palästinensischen Flüchtlinge und ihrer Nachfahren ist heute auf fast sechs Millionen angewachsen. Israel lehnt deren Forderung auf ein „Recht auf Rückkehr“ ab, weil dies aus seiner Sicht das Ende des jüdischen Staates bedeutete.

Seit 1948 haben sechs Nahostkriege die Region erschüttert. Bei zwei Palästinenseraufständen gab es ebenfalls Todesopfer auf beiden Seiten. In den letzten eineinhalb Jahrzehnten hat sich Israel mit der im Gazastreifen herrschenden islamistischen Hamas und anderen militanten Palästinensern Kriege geliefert. Ein Versuch zur Lösung des Konflikts unter US-Vermittlung vor 30 Jahren führte zwar zur Schaffung einer palästinensischen Autonomiebehörde. Doch das Ziel eines Palästinenserstaats ist unerreicht – auch wegen der inneren Spaltung der Palästinenser. Seit dem Sechstagekrieg 1967 hält Israel unter anderem das Westjordanland besetzt. Die Zahl der israelischen Siedler dort und in Ost-Jerusalem ist auf 600.000 angewachsen. 

Bis 2020 waren Ägypten und Jordanien die einzigen arabischen Staaten, die diplomatische Beziehungen zu Israel unterhielten. Dann unterzeichneten die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain überraschend Annäherungsabkommen. Im Rahmen der Abraham-Abkommen kündigten auch Marokko und der Sudan eine Normalisierung ihrer Beziehungen zu Israel an.

Das Land hatte nach seiner Gründung 800.000 Einwohner. Heute sind es fast zehn Millionen. Von einer Agrargesellschaft verwandelte es sich in eine hochmoderne „Start-up-Nation“.