Gleichklang
Die Parallelen zwischen der deutschen AfD und der FPÖ werden immer augenscheinlicher. Seit Langem sind beide am äußersten rechten Rand angesiedelt. In der Pandemie machten sich beide zum Wortführer der Verschwörungstheorien, sie schüren Ausländerhass, lassen antisemitische Töne und Nazi-Begriffe wie „Systemparteien“ in ihr Vokabular einfließen, zeigen Verständnis für Putin. Ob die AfD-Größen Chrupalla und Weidel oder Herbert Kickl: Man fühlt sich bei vielen Reden an Joseph Goebbels erinnert. FPÖ und AfD sind ein Sammelbecken für viele, die meinen, zu kurz gekommen zu sein. Der neue Gleichklang: Beide schwimmen auf einer Erfolgswelle wie nie.
In Deutschland und in Österreich starren alle auf AfD und FPÖ wie das Kaninchen auf die Schlange.
Die AfD liegt laut aktuellen Umfragen bei 18 Prozent und damit gleichauf mit der regierenden SPD (in Führung CDU/CSU mit 28 Prozent). Die FPÖ ist laut allen Umfragen stärkste Kraft, in der aktuellen „Profil“-Umfrage mit 30 Prozent (ÖVP: 24, SPÖ 20, Grüne 11, NEOS 9, KPÖ 5 Prozent). Das alles ohne nennenswertes Programm und mit nur auf Provokation ausgerichteter Politik. Als ob es Ibiza und die darin geschilderte Korruption nie gegeben hätte. In bemerkenswerter Offenheit hat im SPIEGEL ein AfD-Mandatar geschildert, wie man Themen setzt: “Wir warten, was so aufploppt an Themen und sagen dann das Gegenteil von dem, was die Grünen sagen, fertig ist die Kampagne“. FPÖ und AfD brauchen sich nur zurückzulehnen und auf die Fehler der Regierungen zu warten. In Deutschland bekämpft die Ampelkoalition sich selbst seit Monaten, die AfD genießt und gewinnt. In Österreich haben ÖVP und Grüne zwar einiges auf die Reihe gebracht, siehe die Abschaffung der kalten Progression. Daneben aber streitet man über die dringend notwendigen Reformen im Justizbereich, die ÖVP blockiert die Besetzung des Präsidenten beim größten Gericht Österreichs, dem Bundesverwaltungsgericht, und ist offenbar gar nicht so unglücklich darüber, dass die SPÖ das Herzensanliegen der Grünen, das Kilmaschutz-Gesetz, im Moment verhindert. Regierungen, die streiten: Das sind die besten Wahlhelfer für FPÖ wie AfD.
In Deutschland und in Österreich starren alle auf AfD und FPÖ wie das Kaninchen auf die Schlange. Die ÖVP hat nichts Besseres zu tun als auf eines der wenigen FPÖ-Themen, die Migration, ständig aufzuspringen. Die FPÖ rechts zu überholen hat schon zu Zeiten Jörg Haiders nichts gebracht. Die SPÖ war lange Zeit nur mit sich selbst beschäftigt und kommt auch unter Andreas Babler nicht zur Ruhe, siehe die prominenten Parteiaustritte des Innsbrucker Clubchefs Buchacher und des Salzburger Ex-Landesrats Blachfellner, jeweils mit scharfer Kritik am neuen Vorsitzenden. Über Babler und dessen deklarierten Linkskurs jubelt freilich die ÖVP. Jetzt könne man sich als einzige Kraft der Mitte positionieren. Im Ernst? Partei der Mitte? Das ist die ÖVP längst nicht mehr, auch wegen des ständigen Anbiederns an die FPÖ, siehe Niederösterreich, siehe Salzburg. Die ÖVP könnte hingegen die Positionen Bablers als Chance begreifen, endlich wieder Profil zu zeigen. Das wäre doch was: Ein Wettstreit um die besseren Ideen gegen die Teuerung und die hohen Mieten. Hier hat die Regierung dringenden Handlungsbedarf. Babler will die 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Möglicherweise kann die angebliche Wirtschaftspartei ÖVP dagegen argumentieren, dass das vielleicht in einzelnen Fällen machbar ist, aber auch finanziert werden muss und beim aktuellen Facharbeitermangel viele Betriebe überfordert? Wer hat die besseren Ideen für mehr Kassenärzte oder die Kinderbetreuung?
Gegen Populismus von rechts und links hilft nur bessere Politik. In eineinhalb Jahren wird wieder gewählt – genügend Zeit für den Wettstreit der Ideen.
Wolfgang Burtscher, Journalist und ehemaliger ORF-Landesdirektor, lebt in Feldkirch.
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