Kein Konsens zu Migration

Politik / 30.06.2023 • 22:38 Uhr
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Kanzler Karl Nehammer.reuters
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Kanzler Karl Nehammer.reuters

Ungarn und Polen verhindern bei EU-Gipfel Einigung.

Brüssel Die 27 EU-Staats- und Regierungschefs, darunter Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), haben bei ihrem zweitägigen Treffen in Brüssel keine gemeinsame Sprache zur Migration gefunden. Wie bereits am Donnerstag konnte auch am Freitag keine Einigung auf eine Gipfelerklärung dazu beschlossen werden. Ungarn und Polen verhinderten den gemeinsamen Text, nachdem sie kürzlich beim Innenminister-Beschluss zur Reform des europäischen Asylsystems überstimmt worden waren.

„Migrationskrieg“

„Wir haben nicht die Absicht, diese Beschlüsse umzusetzen. Das sagen wir ganz offen“, sagte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban am Rande des EU-Gipfels. Er sprach zudem vom „Migrationskrieg“ im Sitzungssaal. Die Haltung Ungarns und Polens sei ein „Freiheitskampf“ und kein „Aufstand“, so Orban.

Neben Ungarn hat auch Polen angekündigt, weder Schutzsuchende aufnehmen noch Kompensationszahlungen leisten zu wollen – wie es die Reform vorsieht. Regierungschef Mateusz Morawiecki drängte auf eine Klarstellung durch den EU-Gipfel, „dass das Verfahren (der Umverteilung der Flüchtlinge) freiwillig bleibt“.

Italiens Premierministerin Giorgia Meloni sagte, sie sei nicht enttäuscht von Polen und Ungarn. „Ich bin nie enttäuscht von denen, die ihre nationalen Interessen verteidigen. Polen und Ungarn sind wahrscheinlich die beiden Länder, die sich am meisten um die ukrainischen Flüchtlinge kümmern, und sie tun dies mit EU-Mitteln, die nicht ausreichen“, erklärte Meloni.

Auf Konkretes gedrängt

Nehammer hatte auf möglichst konkrete Gipfelbeschlüsse zum Außengrenzschutz und zu Beziehungen mit Drittstaaten gedrängt. „Wir nehmen zur Kenntnis, dass Polen und Ungarn ihren Protest kundgetan haben“, erklärte Nehammer nach dem Gipfel. Es brauche „generell ein Verständnis für die „jeweiligen Bedürfnisse und Positionen aller Mitgliedsstaaten“. Auch für Österreich sei es wichtig, „dass auch unsere Interessen auf EU-Ebene berücksichtigt werden“, so Nehammer weiter. Gemeinsam mit verbündeten Staaten werde er „weiter darauf pochen, dass den Worten rasch auch Taten folgen“.

„Die Realität ist, dass 25 von 27 Mitgliedsstaaten der Gipfelerklärung zustimmen wollten“, betonte EU-Ratspräsident Charles Michel in der Abschluss-Pressekonferenz der EU-Institutionen. Es gebe nur zwei Länder, die erstens mit dem Inhalt und zweitens mit dem Prozess der Entscheidungsfindung nicht einverstanden seien. „Aber 25 andere wollen an der externen Dimension der Migration weiterarbeiten.“ Dies sei so in der ursprünglichen Erklärung gestanden, und sei jetzt in den Schlussfolgerungen des Ratspräsidenten enthalten.

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hielt fest, dass die Migration eine gemeinsame Herausforderung sei, die gemeinsamer Lösungen bedürfe. Nun seien das EU-Parlament und die spanische Ratspräsidentschaft am Zug, das Thema zum Abschluss zu bringen.

Symbolischer Akt

Die Blockade Ungarns und Polens ist mehr ein symbolischer Akt, Auswirkungen auf den laufenden Prozess für eine europäische Asylreform hat sie keine. Dafür gilt der Beschluss der EU-Innenminister vor drei Wochen. Die EU-Staaten müssen sich auch noch mit dem EU-Parlament auf den endgültigen Gesetzestext einigen, das soll noch vor den EU-Wahlen im Juni 2024 geschehen.

Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, Schwedens Premierminister Ulf Kristersson und der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel.AFP
Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, Schwedens Premierminister Ulf Kristersson und der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel.AFP
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban spricht von
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban spricht von “Freiheitskampf”.