Budgetdebatte im Zeichen des Wahlkampfs

Parteien diskutieren heute das Landesbudget 2024. Aber nicht nur Zahlen standen im Fokus der Debatte. Der Wahlkampf ist bereits eröffnet.
Bregenz Man nehme ein Rekordbudget, füge ein bevorstehendes Wahljahr hinzu, vermische es mit ideologischen Unterschieden und erhält: Eine überraschend lebendige Budgetdebatte im Landtag. Obwohl inhaltlich vieles schon bekannt war, haben sich die Parteien teilweise ordentlich in die Haare bekommen.
Am Ende geht es zwar ums Geld, aber hinter diesen nackten Zahlen befinden sich echte Herausforderungen. Und Menschen. Menschen wie Havva Suicmez. Die 48-jährige Hohenemserin sucht mit ihren drei Kindern alleinstehend dringend eine neue Wohnung. Nicht weil sie kein Dach über den Kopf hat – aber ihre aktuelle Wohnung kann sie sich einfach nicht leisten. “Ich habe 32 Jahre Vollzeit gearbeitet. Jetzt muss ich regelmäßig hier her und um eine leistbare Wohnung betteln”, ärgerte sie sich kürzlich im Gespräch mit den VN. Und wie ihr geht es vielen. Allein in Dornbirn befinden sich fast 1000 Personen auf der Warteliste.

Obwohl sich solche Situation im ganzen Land wiederholen, möchte die Politik nicht schwarzmalen. Wie Landeshauptmann Markus Wallner von der ÖVP, der in der Landesregierung als Finanzreferent auch für das Geld zuständig ist: “Was wir jetzt nicht brauchen, ist Krisengejammer.” Vorarlberg habe in den vergangenen Monaten und Jahren der Krise eine enorme Widerstandskraft gezeigt. Er spricht über das Rekordbudget: “Die Wünsche der einzelnen Ressorts waren fast 200 Millionen Euro höher als die Möglichkeiten. Das zeigt, dass wir eine hohe Ausgabendisziplin haben.” Er spricht über Arbeitsmarkt und lädt die Sozialpartner Anfang 2024 ein, um über das Thema zu sprechen. Er spricht über den Stromrabatt, den Vorarlberg Kodex und Wohnen. Wallner rechnet vor: Eine Alleinerziehende mit einem Kind und 2000 Euro monatliches Einkommen erhält zukünftig eine Wohnbeihilfe von 800 Euro. Die Wohnbauförderung lobt er.

Die Forderung nach weniger Krisengejammer stellt Wallner vorsorglich mit Blick auf die folgende Kritik auf. Und FPÖ-Klubobmann Christof Bitschi antwortet: “Der Landeshauptmann würde es als Krisengejammer bezeichnen. Aber es ist schon wichtig zu sagen, dass es Menschen im Land gibt, die nicht über die Runden kommen.” Auch er widmet sich dem Thema Wohnen: Dass die Kreditvergaberichtlinie noch nicht geändert wurde, sei ein Trauerspiel. Und Wohnen 550 sei ein Sinnbild für das Schneckentempo der Landesregierung. “Seit einem Jahr wird das Paket durch die Medien getrieben. Aus Wohnen 500 ist mittlerweile Wohnen 550 geworden”, ärgert sich Bitschi. Und Wahlkampf: “Die ÖVP hat sich an die Grünen angepasst. Es ist das übliche Spiel. Vor der Wahl wird rechts geblinkt, nach der Wahl aber links abgebogen”, widmet er sich dem “Vorarlberg Kodex”. Die Bilanz der schwarz-grünen Regierung sei ernüchternd.

SPÖ-Klubobfrau Manuela Auer findet noch mehr Schneckentempo-Anzeichen. “Der Bodenfonds ist 2017 von Landesrat Johannes Rauch ins Spiel gebracht worden, 2018 haben Sie ihn zum ersten Mal präsentiert”, wendet sie sich direkt an Wallner. “Sie haben dann beschlossen, ihn noch in der Legislaturperiode bis 2019 umzusetzen. Und jetzt präsentieren Sie ihn als etwas ganz Neues. Sie haben sechs Jahre dafür gebraucht!” Noch mehr ärgert sie allerdings, wie der Bodenfonds bezahlt werden soll. Die zwei Millionen Euro Budget finden sich nämlich im Projektefonds für Kinder und Jugendliche, der sich mit 7,6 Millionen Euro aus den Heimfallsrechten der illwerke/vkw speist. Eine weitere Million ist für “Wohnen 550” vorgesehen. “Das sollte aus dem Regelbudget gestemmt werden. Wir bräuchten das Geld wirklich für Kinder in allen Bereichen”, betont die SPÖ-Klubobfrau. Und resümiert, ganz im Wahlkampfmodus: “Nach vier Jahren schwarz-grün geht es den Kindern und Jugendlichen nicht besser.”

Für die Neos ist Gerfried Thür an der Reihe. Auch er ärgert sich: “Die Teuerung lässt die Einnahmen sprudeln. Wir haben Rekordeinnahmen, gleichzeitig steigen aber die Ausgaben.” Er vermisst vor allem Mut im Budget. “Sie sind viel zu zaghaft. Zaghaft im Wohnbau, im Schulsystem.” Und er nimmt Wallner nicht ab, dass das Budget hält: Der Gehaltsabschluss ist nicht eingepreist, die Verlängerung des Stromrabattes ebenfalls nicht. Außerdem müssen alte Kredite zurückgezahlt und neue aufgenommen werden. Und zwar zu schlechteren Zinsen, rechnet Thür vor. “Ich rechne damit, dass der Haushalt weitere 50 bis 60 Millionen Euro schlechter ist als geplant.” Und er warnt: Im Budget sind 40 Millionen Euro Bundesförderung für den Stadttunnel eingepreist. “Das sind die letzten Bundesförderungen. Die restlichen 260 Millionen in fünf Jahren muss das Land allein tragen.” Es würden also schwierige Zeiten auf Vorarlberg zukommen.

Jetzt sind die Grünen an der Reihe. Klubobfrau Eva Hammerer lobt das Budget. Mit dem Budget stelle man die Weichen für die Kinder. Sie erwähnt kostenlose Kinderbetreuung für Menschen mit niedrigem Einkommen. Das Budget für saubere Energie sei verdoppelt, das Budget für Kinder- und Jugendhilfe stark erhöht worden. Und Wahlkampf: Hammerer vergleicht das Budget der schwarz-grünen Landesregierung mit jener der schwarz-blauen in Salzburg. “Schwarz-grün führt in die Zukunft, schwarz-blau in die Vergangenheit und zu Schönfärberei.” Christof Bitschi nennt sie einen Ländle-Kickl. Und ihr Parteichef-Kollege Landesrat Daniel Zadra ärgert sich anschließend vor dem Mikrofon: “Manchmal entsteht der Eindruck, dass wir über Mordor sprechen, über einen failed State, wo alles in Schutt und Asche liegt. Das kann ich nicht gelten lassen.”
Zu guter Letzt ist Wallner noch einmal an der Reihe, um zu reagieren. Sein Fazit: Wenn das Thema kein Wohnungen für den Fonds für Kinder und Jugendliche ist, was ist es dann?
Die Budgetdebatte dauert bis heute spätabends. Es wird wohl mit Stimmen von ÖVP, Grünen und Thomas Hopfner beschlossen.








