Benko und der Biotop
Das Leben sei gefährlich, meinte Wolfgang Peschorn am Mittwoch in der „ZIB 2“ auf die Frage, ob es bei der „Signa“-Pleite auch strafrechtliche Folgen für Aufsichtsräte und das Management geben könne. Das war ein Ja. Beziehungsweise ein „Natürlich“, das der Leiter der Finanzprokuratur und damit ein Anwalt der Republik, denn auch hinzufügte.
Vieles ist noch im Dunkeln. Es geht um ein Geschäftsmodell, das von einem unendlichen Immobilien-Boom und null Zinsen ausging. Und bei dem heute Verbindlichkeiten in Milliardenhöhe stehen. Das eine oder andere wird vielleicht erst in den nächsten Wochen und Monaten ans Licht kommen. Was gemeinhin als „Signa“ und das Imperium des 46-jährigen Aufsteigers René Benko bezeichnet wird, besteht in Wirklichkeit aus gut 1000 Gesellschaften. Erst vor wenigen Tagen wurde abgesehen davon bekannt, der Fiskus sei der Ansicht, dass für die Villa, in der Benko hoch über Innsbruck lebt, zwölf Millionen Euro Umsatzsteuer fällig wären. Ins Grundbuch habe er, der Fiskus, daher ein Pfandrecht eintragen lassen. Der Ausgang ist offen. Benko-Vertreter halten dagegen.
So weit eine vielschichtige Wirtschafts- und Finanzgeschichte, bei der man sich über manches wundern kann. Gefährlich ist das alles aber nicht nur für Aufsichtsräte und das Management. Auf dem Spiel steht ein Systemvertrauen. Es geht um die freie Marktwirtschaft und den demokratischen Rechtsstaat.
Es muss möglich sein, dass einer, wie einst Benko, schon in jungen Jahren unglaublich viel Geld verdient. Das könnte sogar ein Beweis dafür sein, dass es jeder Mann und jede Frau weit bringen kann. Das ist das eine. Das andere: Entscheidend dabei ist jedoch, dass Regeln eingehalten werden und dass Behörden sowie die Politik auch darauf achten.
Zum Schlimmsten in der ganzen „Signa“-Sache gehört, dass man diesbezüglich zweifeln muss. Als Benko noch als der große Checker galt, gab es keine Umsatzsteuer-Geschichten, zeigten sich alle gerne an seiner Seite. Kanzler, Minister, aber auch Oppositionsvertreter. Die Übergänge waren fließend: Unter Sebastian Kurz (ÖVP) ließ man nach Weihnachten 2017 sogar ein Bezirksgericht aufsperren, um die Übernahme des legendären „Leiner“-Gebäudes in der Mariahilfer Straße im Sinne Benkos ruckzuck abzuschließen.
„Auf dem Spiel steht ein Systemvertrauen. Es geht um die freie Marktwirtschaft und den demokratischen Rechtsstaat.“
Es war auch die Zeit, in der Thomas Schmid, der damalige Generalsekretär des Finanzministeriums, regelmäßig halb dienstlich-privat mit René Benko korrespondierte. Wobei ihm Benko einmal anbot, in sein Imperium zu wechseln, ja Schmid umgekehrt feststellte, dass er ein cooler Finanzminister wäre.
Zweitens: Benko verstand es, ehemalige Regierungsspitzen für sich zu gewinnen. Allen voran Alfred Gusenbauer (SPÖ) für Millionenhonorare. Aber schließlich auch Kurz und – als Beirätin – Susanne Riess-Hahn, die Anfang der 2000er-Jahre Riess-Passer hieß und Vizekanzlerin sowie FPÖ-Chefin war.
Gerade in einem kleinen Land wie Österreich ergibt all das einen zu großen Biotop, in dem zu viel möglich ist. Stellen sich Fragen, die nicht nur Benko und seine Leute bei „Signa“ betreffen. Gibt es offenkundige Belege dafür, dass es zwischen entscheidenden Akteuren an wertschätzender, aber korrekter Distanz mangelt; und dass für ehemalige Regierungsmitglieder jegliches Verständnis fehlt, welche Rollenwechsel besser zu unterlassen sind, um der Politik insgesamt nicht zu schaden.
Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.
Kommentar