Eigenwillige Städte
Heute in zwei Monaten wählt Salzburg seine Bürgermeister und Gemeinderäte. Was zunächst für andere Bundesländer wenig spektakulär klingt, könnte doch Aufschluss über einige Trends in unserer Demokratie geben. Etwa wie es um den politischen Nachwuchs bestellt ist, wie stark der Zorn der Wähler durchschlägt oder wie groß der Einfluss von neuen Parteien wird.
Dramatisch ist schon die Ausgangslage. In jeder sechsten der insgesamt 119 Salzburger Gemeinden soll es zu einem Wechsel an der Spitze kommen, weil die Amtsinhaber nicht mehr antreten bzw. schon abgetreten sind. Die steigende Komplexität der Aufgaben, die drückende Unterfinanzierung und die hohe Verantwortung machen den Job auch am Land immer unattraktiver. Viele Aufgaben müssen mit wenig Geld und Personal bewältigt werden. Gleichzeitig stehen Bürgermeister rund um die Uhr in der Auslage und müssen einer immer kritischeren und anspruchsvolleren Bevölkerung Rechenschaft ablegen. Hinzu kommt der Imageschaden durch Grundstückdeals des ehemaligen Gemeindebundpräsidenten Alfred Riedl oder die Schrebergartenaffäre in Wien. Fazit: In vielen Orten lassen sich kaum noch Kandidaten für die früher so ehrenvolle, aber heute hauptsächlich mühsame Aufgabe finden. Von Kandidatinnen gar nicht zu reden. Für Frauen mit Zug zur Macht sind die Hürden nach wie vor hoch.
Anders ist die Ausgangslage in der Stadt Salzburg. Hier wittern gleich sieben Kandidaten ihre Chance auf die Nachfolge von Harald Preuner (ÖVP), der wiederum 2017 überraschend den langjährigen Bürgermeister Heinz Schaden (SPÖ) ablöste, als dieser über einen Spekulationsskandal stolperte. Bei der anschließenden Stichwahl konnte Preuner sich mit nur 294 Stimmen Vorsprung ins Bürgermeisteramt retten. 2019 war der Vorsprung dann mit 55,7 Prozent zwar etwas größer, aber offensichtlich reichen die Nerven für einen weiteren Wahlkrimi nächstes Jahr nicht mehr.
Beigetragen hat wohl auch das Wahlergebnis der Landtagswahl im April. So hat die ÖVP in der eigentlich zutiefst bürgerlichen Stadt Salzburg zwar Platz 1 erreicht, aber mit mageren 25 Prozent. Bereits knapp dahinter überraschend die KPÖ (22) und auf den Plätzen FPÖ (19), SPÖ (17) und die Grünen (12). Spannender kann eine Ausgangslage nicht sein. Preuner bleibt trotzdem bis zum letzten Tag im Amt und gönnt Florian Kreibich, seinem Nachfolger als ÖVP-Spitzenkandidat, keinen Amtsbonus. Von den Herausforderern werden vor allem Kay-Michael Dankl von der KPÖ nach seinem Sprung in den Landtag mehr als nur Außenseiterchancen eingeräumt.
„Generell äußern sich Bewohner von Städten zufriedener mit dem politischen System als Menschen am Land.“
Aber was würde das bedeuten, wenn bei seinem Sieg bereits die vierte Landeshauptstadt den früher dominierenden Parteien entgleitet? Das kommunistische Graz mit Elke Kahr schaffte es weltweit in die Schlagzeilen. In Innsbruck regiert mit Georg Willi immerhin ein Vertreter einer Parlamentspartei. Klagenfurt stürzt gerade mit dem ehemaligen Freiheitlichen und nunmehrigen Team-Kärnten-Mitglied Christian Scheider ins Chaos. Generell äußern sich Bewohner von Städten zufriedener mit dem politischen System als Menschen am Land. Es wäre also kein gutes Omen, wenn ab März die zweit-, viert-, fünft- und sechstgrößte Stadt Österreichs von Kleinparteien regiert wird.
FH-Prof. Kathrin Stainer-Hämmerle, eine gebürtige Lustenauerin, lehrt Politikwissenschaften an der FH Kärnten.
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