Lehren aus Salzburg
Die Ergebnisse der Salzburger Gemeindewahl finden international Beachtung, vor allem wegen des Erfolgs der Liste KPÖ plus mit Spitzenkandidat Kay-Michael Dankl. Kann man daraus Rückschlüsse auf Vorarlberg ziehen, wo im Herbst Wahlen zum Landtag und 2025 in den Gemeinden anstehen?
Ja, Salzburg signalisiert Trends, die immer mehr Platz greifen. Die schlechte Nachricht für alle etablierten Parteien: Die Wähler sind in Bewegung wie nie zuvor. Kleine und Protestparteien haben Zulauf, die Parteien der Mitte rinnen aus. Nicht das Programm zählt, sondern der wirkungsvolle Protest, das Anti-Establishment. Parade-Beispiel auf Bundesebene: Die Bierpartei von Dominik Wlazny, von der weder bekannt ist, ob sie kandidiert und welches Programm sie denn hätte, liegt in den Umfragen bei acht Prozent und damit fast so gut wie die Neos.
Ist KPÖ plus eine reine Protestpartei? Nein, sagt Politikwissenschafter Peter Hajek und nennt das Erfolgsrezept: „Einfaches politisches Handwerk“. Dankl könne extrem gut kommunizieren, habe eine freundliche Ausstrahlung und seit Jahren auf das richtige Thema gesetzt: Leistbares Wohnen. Verkehr und Kinderbetreuung waren die weiteren Themen in Salzburg (aller Parteien). Aber die Ausländerfrage? Hier ist das Salzburg-Ergebnis eine ordentliche Watschn für die FPÖ. Das Thema hat schlicht nicht gezogen. Das kann bei den EU-Wahlen und den NR-Wahlen im Herbst anders sein, auf regionaler und lokaler Ebene sticht es nicht – ein Fingerzeig für Vorarlberg.
Dass Wohnen hohe Priorität hat, haben die Parteien bei uns auch erkannt. Spätestens seit Sommer 2023 hat die ÖVP das auf der Agenda. Wir werden in den nächsten Monaten noch sehen, wie viele Wohnprojekte plötzlich präsentiert oder eröffnet werden. Gegen die hohen Mietwohnungspreise (nach Tirol am teuersten) wird die Politik so lange nichts ausrichten können, als Wohnungen zu knapp sind. Zu diesem Thema werden einander die Parteien an Vorschlägen bis Herbst überbieten. Wetten, dass?
Nochmals zu Dankl. Er kann Fehler zugeben. Der Terror Stalins mit Millionen Toten oder die Misswirtschaft im Kommunismus müssten an ihm hängen wie ein Mühlstein. „Wir müssen uns kritisch damit auseinandersetzen, was man aus einer an sich guten Idee gemacht hat“, sagte er in der ZiB 2. Politologe Hajek: „Man darf auch nicht vergessen, dass es mittlerweile große Wählergruppen gibt, die nicht mehr erlebt haben, was Kommunismus bedeuten kann. Die kennen den Eisernen Vorhang und die Besatzungszeit bestenfalls aus den Geschichtsbüchern.“ Wenn sie es denn überhaupt wissen.
Bei den KPÖ-Wählern ist vermutlich jede Menge fehlendes Geschichtsbewusstsein vorhanden. Ändert nichts daran, dass Politiker wie Dankl für viele Menschen wählbarer sind als die „Alten“. Im Gegensatz zu Dankl hat SPÖ-Vizebürgermeister Auinger am Wahlabend, von keinen Selbstzweifeln geplagt, einen Politiker alten Stils abgegeben, obwohl, trotz Platz eins, seine Partei das schlechteste Ergebnis der Geschichte eingefahren hat. Hat Dankl vor der Wahl Kugelschreiber oder Luftballons verteilt wie das unsere Politiker (m/w) in den Wochen vor der Wahl eher alibihaft tun und glauben, damit „volksnah“ zu sein? Nein, dafür sucht er bewusst das Gespräch und hört sich geduldig die Probleme der Leute an. Könnte man nachmachen. „Thema plus Authentizität“ rät Experte Hajek und nennt als Gegenbeispiel den SPÖ-Vorsitzenden Babler, der es nicht viel anders mache als Dankl, aber er vermittle nicht dessen Strahlkraft. Also: Die Themen sind auch bei uns erkannt. Jetzt müsste man das nur noch authentisch umsetzen.
Wolfgang Burtscher, Journalist und ehemaliger ORF-Landesdirektor, lebt in Feldkirch.
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