Fachkräftemangel setzt Sozialwirtschaft zu

Vorarlbergs Sozialinstitutionen zeigen in einer Studie, was sie für die Gesellschaft leisten und kämpfen mit Personalproblemen.
Darum geht’s:
- Stimmung in Österreich verbessert, doch Einkommensverlust wahrgenommen
- Sozialwirtschaft analysiert eigene Wirkung; Fachkräftemangel belastet
- Studie zeigt großen Nutzen der Sozialwirtschaft für Gesellschaft
Schwarzach Es sind gute Nachrichten, mit denen der Generaldirektor der Statistik Austria am Dienstag an die Öffentlichkeit ging. “Nach den zahlreichen Krisen der letzten Jahre hat sich die Stimmung der Menschen in Österreich zum Jahresende 2023 etwas aufgehellt.” Er macht das an Zahlen fest: Die Statistik Austria fragt Österreicherinnen und Österreicher in jedem Quartal, wie es ihnen geht – zum Beispiel beim gefühlten Einkommensverlust. Und diese Wahrnehmung geht zurück. Dachten Ende 2022 noch 13,8 Prozent, dass ihr Einkommen viel weniger geworden ist, waren es Ende des Vorjahres noch 9,1 Prozent. Vor allem Haushalte mit Arbeitslosigkeit sind davon betroffen. Damit es solchen Haushalten (und anderen) besser geht, gibt es Institutionen, die sich in den Dienst der Gesellschaft stellen. Jetzt sieht man erstmals schwarz auf weiß, was die Vorarlberger Sozialwirtschaft für die Gesellschaft tut: Sie hat die eigene Wirkung untersuchen lassen.
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Zurück zur Statistik Austria: Rund 28 Prozent der Befragten geben an, weniger Einkommen zu haben. Davon gaben fast die Hälfte (44 Prozent) an, wichtigste Sparmaßnahme sei, die Ausgaben für Essen, Kleidung, andere Waren und Dienstleistungen zu reduzieren. 17 Prozent aller Befragten rechnen heuer mit Zahlungsschwierigkeiten bei den Wohnkosten. Und 59 Prozent glauben, dass sich die österreichische Wirtschaftslage in diesem Jahr verschlechtern wird.

Soziologe Simon Burtscher-Mathis, Geschäftsführer des Vorarlberger Kinderdorfs und im Vorstand des Arbeitgebervereins für Sozial- und Gesundheitsberufe in Vorarlberg, bestätigt diese Zukunftsangst. “Viele Menschen, mit denen unser Personal zu tun hat, sind ein wenig zukunftsskeptisch.” Dazu kommt die Teuerung. “Familien, die früher eine Krise zu meistern hatten, haben mittlerweile mit mehreren zu kämpfen.” Krieg, Corona … die Liste ist lang. Diese Mehrfachbelastung wirke sich auch auf die Betreuung aus. “Das belastet. Die Leute im Sozialbereich sind müder geworden. Wir müssen aufpassen, dass wir sie nicht verlieren”, warnt Burtscher-Mathis.
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Michaela Wagner-Braito, ebenfalls im AGV-Vorstand und Geschäftsführerin der Lebenshilfe Vorarlberg, kann davon ein Lied singen. “Der Fachkräftemangel ist brutal. Uns fehlen vor allem im Bereich Wohnen die Leute. Es schmerzt, aber wir mussten schon ein Haus schließen. Wir haben fast alle Menschen woanders untergebracht, Einzelne haben aber kein Angebot mehr.” Das setze insbesondere die betroffenen Familien unter Druck.

Ein Umstand, den auch Caritasdirektor und AGV-Obmann Walter Schmolly betont. Wie sehr Familien und das Umfeld von Betroffenen von der Beratung und der Betreuung der Sozialinstitutionen profitieren, zeigt eine neue Studie, die vom AGV in Auftrag gegeben wurde. “Das Ergebnis sind beeindruckende Zahlen”, ist Schmolly überzeugt. Ein Beispiel: Laut der Untersuchung erhalten 17.178 Menschen in Vorarlberg durch eine Leistung der Sozialwirtschaft angemessene Betreuung und Pflege. Das bedeutet: 15.274 Angehörige können dadurch einer Erwerbstätigkeit nachgehen – immerhin 7,4 Prozent der Erwerbstätigen im Land. Die Sozialwirtschaft wirkt sich also auch auf den Wirtschaftsstandort aus. Und 27.055 Angehörige werden durch die Institutionen bei der Betreuung unterstützt, was Risiken und Gefährdungen dieser Personen reduziert.
Die Studie
“Der gesellschaftliche Mehrwert der Sozialwirtschaft Vorarlberg”
Autoren: Christian Grünhaus und Stefan Schöggl
Wirtschaftsuniversität Wien, 2024
Laut Statistik Austria berichten rund eine Million Menschen in Österreich, dass sie Schwierigkeiten haben, mit ihrem laufenden Einkommen auszukommen. Darunter rund die Hälfte aller Arbeitslosen. Während in der Gesamtbevölkerung 28,4 Prozent aller Befragten angeben, dass das Einkommen weniger geworden ist, sind es unter Haushalten mit Arbeitslosigkeit 51 Prozent. “Armut wird viel in Einkommen gedacht”, sagt Burtscher-Mathis. “Aber Familienarmut hat auch starke Konsequenzen.” Kinder, die nicht am Vereinsleben teilnehmen oder keine Kulturveranstaltungen besuchen können, zum Beispiel. Das heißt: Wenn die Institutionen einer Familie in Armut helfen, hilft es indirekt auch den Kindern im Vereinsleben und den Vereinen, Nachwuchs zu finden.
Ergebnisse Studie des AGV mit der jährlichen Wirkung
- 22.708 Menschen wurde durch Beratung zu Rechtsansprüchen und Hilfsangeboten ein Zugang zu Bürgerrechten ermöglicht. Das sind 5,5 Prozent der Vorarlberger
- 7860 Menschen wird jährlich ein Zugang zu Ausbildungsplätzen ermöglicht, das sind 1,9 der Vorarlberger.
- 33.641 Menschen wird jährlich ein Gefühl von Sicherheit von psychischer und physischer Gewalt vermittelt. Das sind 8,2 Prozent der Bevölkerung in Vorarlberg.
- 16.427 Vorarlberger haben durch die Sozialwirtschaft Entstigmatisierung durch mehr Akzeptanz, Inklusion und Barrierefreiheit erfahren.
- 29.957 Personen wurde soziale Teilhabe und Partizipation ermöglicht. Das sind 7,3 Prozent der Vorarlberg.
- 17.972 Personen haben durch Schuldenregulierung, Schulungen im Umgang mit Geld und Qualifikation für den Beruf, eine Linderung oder Verhinderung der Armut erfahren.
- 8857 Personen gehen dank der Sozialwirtschaft einer Beschäftigung nach.
- 22.964 Personen haben die psychische Gesundheit wiedererlangt, oder sie ist erhalten oder verbessert worden. Das sind 5,6 Prozent aller Vorarlberger
- 4896 Personen konnte die Wohnung gesichert werden, weshalb sie nicht in die Wohnungslosigkeit geschlittert sind.
- 6856 Personen erlangen jährlich bessere Deutschkenntnisse.
- 17.178 Personen erhalten jährlich angemessene Pflege und Betreuung.
- –> 15.274 Angehörige können dadurch einer Erwerbsarbeit nachgehen, das sind 7,4 Prozent der Vorarlberger.
- –> 27.055 Angehörige können deshalb Risiken und Gefährdungen reduzieren.
- –> 56.280 Angehörige werden dadurch psychisch entlastet, das entspricht 13,7 Prozent der Vorarlberger.
- 43.842 Angehörige jährlich melden sich im Krisenfall bei den Sozialinstitutionen.
- 29.035 Angehörige werden jährlich vor Familienkonflikten und Eskalation geschützt, was beim Erhalt und dem Wiederaufbau der Familienstrukturen hilft.
Die Sozialinstitutionen wollen mit dieser Studie zeigen, welche Wirkung ihre Arbeit in Vorarlberg hat und dass das Geld gut investiert ist. Außerdem sollen die Zahlen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Motivation spenden. “Die Berufe sind sinnstiftend, wir sind attraktive Arbeitgeber”, sagt Schmolly. Burtscher-Mathis ergänzt: “Aber der Beruf ist teilweise auch sehr belastend und am Ende der Woche wissen die Mitarbeiter nicht, was sie bewirkt haben. Die Wirkungsanalyse ist also auch eine Art Selbstfürsorge für die Mitarbeiter.”