Teilzeit: Fluch und Segen zugleich

Für Unternehmen und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine gute Sache, Politik und Gesellschaft stellt die hohe Teilzeitquote aber vor große Herausforderungen.
Schwarzach Die Teilzeitarbeit hat einen schlechten Ruf. Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung, ärgert sich, dass Vollzeitarbeitskräfte die Teilzeitarbeitskräfte quersubventionieren würden. Der ehemalige Arbeitsminister Martin Kocher dachte über weniger Sozialleistungen bei Teilzeitarbeit nach. Und der aktuelle Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer zeigt null Verständnis bei Teilzeitarbeit ohne Betreuungspflichten. In der Bevölkerung genießt die Teilzeitarbeit hingegen großen Zuspruch.
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Infogram angezeigt.
Österreichs Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeiten weniger Wochenstunden als viele ihrer Kolleginnen und Kollegen in anderen Ländern. Auch in Unternehmen schätzt man die Teilzeitmöglichkeit. Etwa bei der Bäckerei Mangold. Je nach Jahreszeit arbeiten zwischen 750 und 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Mangold, berichtet Geschäftsführerin Monika Haag. Ein großer Teil davon Teilzeit. “Viele arbeiten im Verkauf nur an Wochenenden. Wir haben viele Frauen mit Kindern oder sonstigen Betreuungspflichten, die stark von Teilzeit profitieren. Für uns als Betrieb ist es sehr wichtig, flexibel zu sein. Teilzeit bei uns ist eine Win-win-Geschichte.”
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Iframely angezeigt.
Teilzeit in Zahlen: Vorarlberg liegt im Österreich-Schnitt. Rund ein Drittel aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeitet Teilzeit. Im Geschlechterverhältnis ist Arbeit ungleich verteilt: 56 Prozent der Frauen arbeitet Teilzeit, aber nur 12 Prozent der Vorarlberger Männer. Frauen verringern ihre Wochenarbeitszeit vor allem wegen der Kinderbetreuung, während Männer mit Kindern mehr arbeiten als ohne Kinder. Die Teilzeitquote bei Männern mit Kindern liegt je nach Alter zwischen sieben und zehn Prozent, bei Männern ohne Kinder zwischen neun und 18 Prozent. Bei Frauen mit Kindern liegt sie zwischen 72 und 76 Prozent, bei Frauen ohne Kinder zwischen 29 und 49 Prozent.
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Infogram angezeigt.
Carmen Treml, Expertin des Instituts “Agenda Austria” ortet in der hohen Teilzeitquote ein Wohlstandsphänomen. “Österreich ist derzeit noch ein sehr wohlhabendes Land.” Die Menschen könnten es sich einfach leisten, weniger zu arbeiten. Man merke oft erst in der Pension, was Teilzeitarbeit für einen selbst bedeutet. Ein zweiter Grund für die hohe Quote sei das Steuersystem. “Es zahlt sich für viele finanziell gar nicht aus, aufzustocken. Gerade für Frauen nach der Karenz kann es finanziell gleichbedeutend sein, wenn sie zu Hause bleiben.” Der Faktor Arbeit sei zu hoch besteuert. Das sieht auch der Vorarlberger Volkswirt David Stadelmann von der Universität Bayreuth so. “Wenn jemand 20 Prozent mehr arbeitet, aber nur zehn Prozent mehr verdient, bleiben die Anreize groß, weniger zu arbeiten.” Er schlägt vor, dass Überstunden steuerfrei werden. Dann würden Menschen nicht nur die Normarbeitszeit aufstocken wollen, sondern auch darüber hinaus arbeiten.
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Infogram angezeigt.
Teilzeit ist nicht nur ein Geschlechts- und Kinderphänomen. Von jenen Menschen, die im Alter von 60 Jahren oder älter noch arbeiten, befinden sich 53 Prozent in Teilzeit, im Alter von 15 bis 29 Jahren sind es 17,4 Prozent. Teilzeit ist zudem eine Frage der Bildung: Laut Statistik Austria beträgt die Teilzeitquote bei Personen mit Lehrabschluss 26,2 Prozent, bei jenen mit AHS- und BHS-Matura bei 36,7 Prozent.
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Iframely angezeigt.
Als Begründung geben 29 Prozent der Teilzeit-Beschäftigten an, dass sie keine Vollzeittätigkeit wünschen, 15 Prozent geben “sonstige Gründe” an. Betreuungspflichten sind nur für 8,8 Prozent der Männer in Teilzeit eine Begründung; hingegen bei 45,2 Prozent der Frauen. Carmen Treml von der “Agenda Austria” ist überzeugt: “Da muss ein Umdenken her.” Das sei allerdings ein langfristiger Aspekt. “Die Regierung kann kurzfristig am Steuersystem etwas ändern.” Und fügt an: “Bei der Rollenverteilung, einem individuellen Aspekt, muss aber gesellschaftlich etwas kommen.” Das sei aber nötig, denn: “Wir leben gerne in Österreich. Aber es fehlt das Bewusstsein, dass es sich eben nicht um eine rein individuelle Entscheidung handelt, arbeiten zu gehen, sondern auch gesamtgesellschaftliche Auswirkungen hat.”