Schellhorn über sein Comeback: “Man war immer der Feind. Das hat mich irgendwann nicht mehr interessiert.”

Neos-Nationalrat Sepp Schellhorn über seine Vergangenheit in der Politik und weshalb er zurückgekehrt ist.
Interview: Michael Prock & Maximilian Werner
Wien, Schwarzach Sepp Schellhorn ist zurück. Der Salzburger war einst von Beginn an Teil der Neos, entschied sich 2021 aber, aus dem Nationalrat auszuscheiden. Seit März sitzt der Gastronom und Touristiker wieder im Parlament. Im VN-Interview spricht er über seine Rückkehr, über Tourismus, Vereine, Restaurants im Möbelhaus und die Teuerung.
Herr Schellhorn, wie spüren Sie im Tourismus die Teuerung?
Schellhorn: Fast jeden Tag steht ein Mitarbeiter bei mir auf der Matte und sagt, er braucht mehr Geld, weil sich das Leben nicht mehr ausgeht. Und ich merke es am Konsum. Trotz aller Jubelmeldungen der Statistikfanatiker, die sich an den Nächtigungszahlen ergötzen. Der Deckungsbeitrag ist gesunken. Durch die Teuerung bleibt am Ende des Tages viel weniger übrig. Wenn das jetzt auch in die Baubranche überschwappt, muss man dringend etwas tun.
Was ist in der Baubranche nötig?
Schellhorn: Die Wohnbauförderung muss zweckgewidmet werden. Außerdem müssen die Lohnnebenkosten runter, damit die Baubranche konkurrenzfähig bleibt. Wenn der Kostenfaktor Arbeit gesenkt wird, ändert sich auch das Problem Pfusch am Bau. Und drittens muss man es vor allem schaffen, dass sich junge Leute eine Wohnung leisten können, dass sie wieder Kredite bekommen. Auch über die KIM-Verordnung muss man sprechen. Sie muss gelockert werden.

Da sind Sie ja auf einer Linie mit dem Bundeskanzler und den Landeshauptleuten.
Schellhorn: Der Unterschied zum Kanzler ist, dass wir schon viele Jahre auf diese Punkte hinweisen und der Kanzler es nie umgesetzt hat. In Wirklichkeit ist er den Landeshauptleuten ausgeliefert, das ist das Kernproblem der Reformunfreudigkeit. Der nicht gelebte Föderalismus.
Damit der Kanzler arbeiten kann, sollte man also die Bundesländer abschaffen?
Schellhorn: Nein. Es braucht einen funktionierenden Föderalismus oder gar keinen Föderalismus. Im Wohnungswesen, beim Mietrecht und so weiter. Man könnte zum Beispiel sagen, dass für 80 Prozent der Einnahmen weiter der Bund verantwortlich ist, für 20 Prozent aber die Länder. Und sie können selbst steuern, wie sie die 20 Prozent einsetzen. Das Ideale wäre sowieso, den Unterschied von Pflichtversicherung und Versicherungspflicht darzulegen, wie in der Schweiz. Dass jeder den Bruttobezug bekommt und dann mündig entscheidet, welche Art Versicherung er möchte. Aber das will man in Österreich nicht. Genau so, wie man das Vereinswesen noch immer hochhalten will.
Das Vereinswesen?
Schellhorn: Das Vereinswesen ist der neue Stammtisch.
Und das ist nicht gut?
Schellhorn: Regierende haben da Hand drüber, weil sie das Geld einfach verteilen können. Wenn die Blasmusikkapelle in der Gemeinde mit 2800 Einwohnern 40.000 Euro Steuergeld bekommt, und der Kapellmeister nicht brav ist, dann gibt es kein Geld mehr. Umgekehrt, wenn der Bürgermeister nicht brav ist, dann wird er von den Mitgliedern und deren Familien nicht mehr gewählt. So absurd ist dieses System.
Sind Vereine also etwas Schlechtes?
Schellhorn: Nein, natürlich ist Vereinswesen extrem wichtig. Zumal ohne Ehrenamt unser Sozialsystem gar nicht aufrechterhalten werden könnte. Aber es läuft einiges schief. Bürgermeister sprechen immer davon, dass sie Ortskerne retten wollen, dass sie Wirtshäuser retten möchten. Aber in Wahrheit möchten sie Vereinslokale bauen. Und dort spielt sich alles ab, dort haben sie die Stammtischhoheit. Und die Stammtische in den Wirtshäusern werden weniger, weil es weniger Wirtshäuser gibt.

Spielen auch die Preise eine Rolle?
Schellhorn: Der Bierpreis ist bei mir in den letzten zwei Jahren um 50 Prozent gestiegen. Letztes Jahr wegen der Rohstoffpreise, dieses Jahr wegen der Kollektivvertrags-Erhöhung. Im Handel ist der Bierpreis gleich geblieben. Bei mir kostet ein Bier zwischen 4,20 und 4,80 Euro, im Handel 89 Cent. Dazu kommen die Zeltfeste jedes zweite Wochenende, wo es ebenfalls Verpflegung gibt, die dazu noch steuerfrei ist. Der Kostenfaktor Arbeit fällt weg.
Vereine sind also die Konkurrenz zum Wirtshaus?
Schellhorn: Oder der XXXLutz, der nicht nur raumplanerischer Wahnsinn ist. Bei mir kostet das Schnitzel inklusive Faktor Arbeit 28 Euro. Der XXXLutz betreibt in seinem Möbelhaus ein Restaurant, wo er ein ukrainisches Schnitzel kauft, das schon vorpaniert und tiefgekühlt wurde. Er haut es in die Fritteuse und verkauft es um 4,50 Euro. Danach kann man sich ein Polster aus Bangladesch kaufen.

Sie sind zurück in der Politik. Warum tun Sie sich das noch einmal an?
Schellhorn: Damals, als ich aufgehört habe, war das Klima in der Politik besonders toxisch. Das war in der Coronazeit, da hat man weder A noch B noch C sagen können und hatte immer eine Mauer von Gegner gegen sich. Der Diskurs damals mit Sebastian Kurz oder meiner thematischen Gegenspielerin Elisabeth Köstinger war extrem toxisch. Man war immer der Feind. Das hat mich irgendwann nicht mehr interessiert.
Und jetzt ist Politik nicht mehr toxisch?
Schellhorn: Doch, Politik ist keine Sandkastengeschichte. Aber ich habe jetzt einen Betrieb übergeben, damals war das gerade in der Vorbereitung. Das ist nicht so einfach. Und als Neos werden wir stets mit vielen Sorgen von Bürgerinnen und Bürgern konfrontiert. Ich war Tag und Nacht damit beschäftigt, mich um die Sorgen von Künstlerinnen, Touristikern, Unternehmern zu kümmern. Das waren meine Fachbereiche. Mittlerweile weiß ich besser, wie ich damit umgehen soll. Und ich bin ein bisschen älter geworden, auch von mir ist ein wertschätzenderes Element dazu gekommen.

Wir haben kürzlich über einen Skiverleiher auf dem Bödele berichtet, der zusperren muss, weil keine Leute mehr kommen. Der Schnee fehlt. Hat Wintertourismus noch Zukunft?
Schellhorn: Tourismus kann 365 Tage im Jahr stattfinden. Das hängt auch von der Innovationskraft der Unternehmen ab. Man darf die Klimaveränderung nicht als Ausrede benutzen. Und die Nächtigungen und Statistiken der Bergbahnen im Sommer gehen stark in die Höhe, während sie im Winter sinken. Also wird aus einem Skiverleih vielleicht ein Fahrradverleih.
Wie kann dem Fachkräftemangel im Tourismus die Stirn geboten werden?
Schellhorn: Im Bildungssystem müssen wir langsam in Richtung Mittlere Reife denken, aber das ist eher langfristig. Wir brauchen etwas mehr Alemannisches, also wie bei den Vorarlbergern. Nämlich, dass wir den Knoten zwischen Freizeitgesellschaft und Dienstleistungsgesellschaft auflösen. Wir brauchen die Bereitschaft, am Wochenende und an den Abenden zu arbeiten, wenn andere Freizeit haben. Das könnte zum Beispiel damit gelingen, indem man die Steuersätze auf die Zuschläge streicht. Die Zuschläge sollten zu 100 Prozent den Mitarbeitern zugutekommen. Außerdem braucht es auch an Wochenenden Möglichkeiten zur Kinderbetreuung.
