“Kollege Bitschi, Sie spalten und hetzen”

Die FPÖ fühlt sich nicht mehr sicher und erntet den Vorwurf, Zahlen der Kriminalitätsstatisitk aus dem Zusammenhang zu reißen.
Bregenz Wütend klopft FPÖ-Chef Christof Bitschi auf den Tisch, als ihm die Grünen-Klubobfrau Eva Hammerer vorwirft, die Sicherheit in Vorarlberg zu gefährden und den Job des Polizisten schlechtzureden. „Herr Bitschi, Sie zitieren wahllos Zahlen aus der Kriminalitätsstatistik und nutzen diese zum Hetzen und Spalten.“

Es tagt der Landtag und trotz Regenwetters geht es hitzig zu. „Die Sicherheitsprobleme in Vorarlberg werden größer“, sagt Bitschi in der aktuellen Stunde. Aber die Probleme würden „kleingeredet, schöngeredet, weggeredet“. Und er zitiert aus der Kriminalitätsstatistik. Die Zahlen hätten sich negativ entwickelt, die Gewaltkriminalität steige.
Fast 22.500 Anzeigen
Die Polizei Vorarlberg erstattete im Jahr 2023 insgesamt 22.492 Anzeigen an die Staatsanwaltschaften, ein Plus von 6,6 Prozent im Vergleich zum Jahr davor (2022: 21.103). Die Anzahl der geklärten Delikte stieg um 8,4 Prozent. 16.244 Tatverdächtige konnten angezeigt werden, 6,9 Prozent mehr als im Vorjahr (15.190). Der Anteil der fremden Tatverdächtigen stieg von 43,8 Prozent auf 45,2 Prozent an. Die größte Gruppe an ausländischen Straftätern machen deutsche, gefolgt von türkischen und rumänischen Staatsbürgern aus. Mit 4512 angezeigten Gewaltdelikten war im vergangenen Jahr eine Zunahme von 10,9 Prozent zu verzeichnen. 1023 Straftaten fielen auf Gewalt in der Privatsphäre.

Diese Zahlen könne man nicht abstreiten, sagt Bitschi. „Wir müssen sicherstellen, dass sich in Vorarlberg speziell Mädchen und Frauen wieder sicher fühlen. Da gilt es natürlich auch weiteren Realitäten ins Auge zu schauen.“ Der FPÖ-Klubobmann verweist auf die Zuwanderung. Menschen seien ins Land gelassen worden, die die steigende Gewalt und Kriminalität mitverantworten würden. „Das sind keine deutschen Banden“, greift Bitschi dem Argument vor, dass Deutsche den ersten Platz bei ausländischen Tatverdächtigen einnehmen. „Der Täterkreis ist sehr klar definiert.“ Es gehöre gehandelt. Bitschi fordert mehr Sicherheitskräfte, Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen und bessere Arbeitsbedingungen für die Polizistinnen und Polizisten. Außerdem: Schubumkehr bei der Zuwanderung, Sicherungshaft und Heruntersetzung der Strafmündigkeit von 14 auf 12 Jahre.

ÖVP, Grüne, SPÖ und Neos erinnern Bitschi daran, dass Österreich und Vorarlberg im Speziellen im internationalen Vergleich weiterhin zu den sichersten Ländern überhaupt gehörten. „Die Situation ist nicht ganz so dramatisch, wie sie dargestellt wird, aber es ist wichtig über die Sicherheit und das Sicherheitsgefühl der Menschen zu reden“, betont Neos-Klubobmann Johannes Gasser. Verunsicherung sei aber der falsche Weg. Die FPÖ betreibe bei Statistiken Rosinenpicken und reiße die Daten häufig aus dem Zusammenhang. Eva Hammerer stimmt zu. Sie habe sich die Zahlen mit der Analyseabteilung der Polizei genau angesehen. Die Gesamtkriminalität sei stabil. Die Zunahme ergebe sich zu einem Großteil durch den Wegfall der Corona-Einschränkungen. „Das lassen Sie weg, Kollege Bitschi“, sagt die Grüne Klubobfrau. „Sie lassen die höhere Klärungsrate der Polizei weg, und dass sich der Großteil der Steigerung der Gewalttaten im Suchtgiftmilieu abspielt.“ Gasser ergänzt: Bitschi sei ein Brandmelder, aber wenn es darum gehe, Feuerwehr zu spielen, handle die FPÖ eher als Brandbeschleuniger.
Man müsse sich auch überlegen, warum sich etwa am Dornbirner Bahnhof so viele Flüchtlinge oder Ausländer aufhalten. „Wundert es uns, wenn sie monatelang zum Nichtstun verdammt sind?“ Deutschkurse starteten zu spät und arbeiten dürften sie auch nicht. Hier gäbe es noch ungenutzte Chancen für die Integrationsarbeit.

SPÖ-Klubobfrau Manuela Auer stimmt diesen Forderungen zu, will aber gar nicht weiter auf „dieses Spiel der FPÖ“ mit der Kriminalitätsstatistik eingehen. „Wir bekämpfen die Kriminalität nicht, indem wir Menschen gegeneinander ausspielen.“ So kehrt Auer nochmals zu den Arbeitsbedingungen der Polizistinnen und Polizisten zurück und fordert eine Vorarlberger Gehaltszulage (Westzulage). Davon habe sie noch nichts gesehen. Das Geld werde aber knapp. „Die Polizistinnen und Polizisten leiden nach wie vor.“ Erst mit Überstunden und Journaldiensten sei ihr Gehalt mit Einstiegsgehältern in der Privatwirtschaft vergleichbar.

Die ÖVP verteidigt sich und schiebt bezüglich der „Westzulage“ die Verantwortung zu Beamtenminister und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne). Abgeordneter Thomas Winsauer verweist auf die weiterentwickelten Bahnhöfe und die erhöhte Präsenz der Polizei. „Wir sind gut aufgestellt. Wir sind sicher und es soll so bleiben.“ Sicherheitslandesrat Christian Gantner stimmt den Aussagen zu und kritisiert einmal mehr „Panik- und Angstmache“ von Christof Bitschi: „Mit reiner Anklage ist kein Staat zu machen und kein Land zu führen.“ Ziel sei, dass die faktische Sicherheit, die in Vorarlberg herrsche, sich in einer gefühlten Sicherheit widerspiegle. „Unsere Polizistinnen und Polizisten leisten Großartiges.“ Ihm sei es fern, die Situation schönzureden, aber man müssen sich die Kriminalitätsstatistik genau ansehen.
Bitschi hat sich in der Zwischenzeit wieder etwas beruhigt. Dieser Schönrederei könne er aber nichts abgewinnen. Und die Verantwortung Werner Kogler zuzuschieben, während die ÖVP Finanz- und Innenminister sowie Landeshauptmann und Sicherheitslandesrat stelle, sei nicht in Ordnung. „Ich hätte nicht gedacht, dass es einmal so weit kommt, dass ich den Vizekanzler verteidigen muss.“