“Hat das Einfamilienhaus noch Zukunft, Herr Kaufmann?”

Politik / 14.05.2024 • 14:34 Uhr
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Hermann Kaufmann und seine Partner zeigen auf, was Holzbau kann.  FA/LD

Architekt Hermann Kaufmann kritisiert seine Kollegen scharf. Die Bauwende für den Klimaschutz komme viel zu schleppend voran: “Das ärgert mich so!”

Schwarzach Zement gilt als einer der Klimakiller in der Baubranche. Trotzdem wird er stark verwendet, erläutert Holzbau-Architekt Hermann Kaufmann. Er fordert stärkeres Bewusstsein für den Klimaschutz im Bau, spart nicht mit Kritik an der Branche und wünscht sich auch mehr Engagement der Politik.

Ist der Klimawandel am Bau angekommen?

Hermann Kaufmann: Ich glaube nicht. Das Thema sollte man in allen Bereichen wesentlich ernster nehmen, auch im Baubereich. Man spielt ein bisschen Klimaschutz, aber die eigentlich wichtigen Entscheidungen werden sehr behutsam vorgetragen, weil sie natürlich bestimmten Personen vor den Kopf stoßen würden. Das gilt auch für das Bauwesen. Denn eigentlich ist es schon sehr verwunderlich, dass man Schulen, Kindergärten und Wohnbauten mit Sichtbetonfassaden baut. Wenn man den CO2-Ausstoß ernst nimmt, ist das vollkommen kontraproduktiv. Auch gute Kollegen machen das unbedarft. Das ärgert mich so.

Sollte man also alles mit Holz bauen?

Kaufmann: Nein, ich sage nicht, dass man alles mit Holz machen muss. Aber das Thema ist noch nicht in den Köpfen angekommen. Dass man sagt: So wie man es früher gemacht hat, geht es nicht mehr. Man muss viel konsequenter werden. Wir sind das Musterland im Holzbau, haben gute Zimmerer und das Know-how. Und bei Projekten, die man an anderen Orten längst mit Holz baut, tut man bei uns so, als ob das nicht ginge. Das wundert mich.

Das ist die Materialebene. Wo wäre noch mehr Klimaschutz auf dem Bau möglich?

Kaufmann: Bei der Energieeffizienz von Bauwerken haben wir Rückschritte gemacht. Früher ist man die Passivhausstrategie gefahren. Jetzt kann man darüber diskutieren, aber man war sehr engagiert. Heute habe ich das Gefühl, dass sich viele auf die Wärmepumpe zurückziehen, die Gebäudehülle und der Baukörper aber weiterhin viel Energie verbrauchen dürfen. Die Pumpe wird es schon richten. Früher hat der niedrige Ölpreis alle Blödsinne erlaubt, jetzt ist es die Wärmepumpe. Der Gesetzgeber könnte wesentlich mehr fordern, aber ich möchte nicht alles auf die Gesetzgebung schieben. Bei den einzelnen Verantwortlichen ist noch nicht angekommen, dass wir ein Problem haben. Und Bauen für diese Probleme im großen Stil maßgeblich ist. Beim Energieverbrauch, Ressourcenverbrauch, Abfallaufkommen. Die Bauwende ist viel zu schleppend.

Also reicht es nicht, gesetzlich anzusetzen?

Kaufmann: Ich appelliere an das Umweltbewusstsein und die Ernsthaftigkeit der einzelnen Personen. Da sind die Bauherren genau so gefordert wie die Planenden.

Wird Bauen dann nicht zu teuer?

Kaufmann: Da stellt sich immer die Frage, wie man Kosten betrachtet. Die Kostendiskussion ist sehr kurzlebig, eigentlich müsste man immer die Gesamtkosten errechnen. Also: Was kostet mich das Bauwerk in den nächsten 100 Jahren? Wenn man es nach 30 Jahren abreißt, weil es schlecht gebaut ist, kommt es im Endeffekt viel teurer. Bei Bauherren, die die Immobilie selbst besitzen, ist das schon angekommen. Das Hauptproblem sind jene, die Immobilien bauen, nachher verkaufen und denken: nach mir die Sintflut. Reparaturen sind ja nicht mehr ihr Kaffee, Hauptsache die Kosten sind unten. Diese Kurzsichtigkeit hilft niemandem. Aber klar, wenn man gut baut, ist es ein wenig teurer, als wenn man schlecht baut.

Hat das Einfamilienhaus noch Zukunft?

Kaufmann: Zwischen Einfamilienhaus und Einfamilienhaus gibt es einen großen Unterschied. Baue ich ein Standardhaus auf 700 Quadratmeter? Oder mach ich ein Projekt mit sparsamem Bodenverbrauch und erreiche damit trotzdem die Qualität eines Einfamilienhauses. Ich glaube nicht, dass jeder in Geschosswohnbau wohnen muss, das ist klar. Diese Freiheit gehört in eine freie Gesellschaft. Aber was man unterbinden muss, ist der Bodenverbrauch. Wir bekommen irgendwann ein Problem, wenn wir so weitermachen.

Die Politik fördert mit der Wohnbauförderung auch den Einfamilienhausbau. Ein Fehler?

Kaufmann: Es wird immer eine Klasse geben, die es sich leisten kann und welche baut. Aber es ist eine politische Frage, was man fördern möchte. Ich glaube, man muss die soziale Treffsicherheit mit kalkulieren. Die Wohnbauförderung für das Einfamilienhaus ist dann nämlich nicht mehr argumentierbar. Ich kann gar nicht so viel Wohnbauförderung ausschütten, damit sich ein Normalverdiener ein Einfamilienhaus leisten kann. Auch aus ökologischer Sicht ist die Einfamilienhausförderung in der heutigen Zeit nicht darstellbar. Eigentumsbildung kann man auch in anderer Form machen. Die Politik kann sich entscheiden, ob sie mit der Gießkanne fördert oder Schwerpunkte setzt. Diese Schwerpunkte sind eher gering.

Braucht es andere Vorschriften?

Kaufmann: Man kann sie durchaus verstärken. Vielleicht bräuchte es einen CO2-Fußabdruck über die Erzeugung des Bauwerks. Selbes für die Frage, wie viel CO2 der Betrieb verursacht. Das kann man kalkulieren. Es darf kein Bürokratiemonster werden. Aber wäre schon gut, wenn man die gesamte Performance eines Gebäude stäker in den Fokus nimmt.

Ein Grund für die hohen Preise ist die Grundstückshortung. Bauland gelangt nicht auf den Markt. Soll man das so belassen, damit sie grüne Wiese bleiben und nicht versiegelt werden? Oder soll man sie auf den Markt bekommen?

Kaufmann: Das kann man nicht so allgemein formulieren. Es gibt Grundstücke, die schreien nach einer Verbauung, weil drumherum alles verdichtet ist. Anstatt an der Peripherie bauen, sollte man jedenfalls im Zentrum verdichten. Es wäre auch wünschenswert, wenn Grundstücke auf den Markt kommen. Aber wir sind zum Glück nicht in China, bei uns gibt es eine freie Gesellschaft, in der das Eigentum einen hohen Stellenwert besitzt. Ich weiß auch nicht, wie viel Abgaben auf leere Grundstücke bringen. Sie können sicher etwas beitragen. Aber wenn jemand genug Geld hat, zahlt er die paar Euro sicher.

Was ist der größte Klimasünder im Bau?

Kaufmann: Schon das Material.

Welches?

Kaufmann: Die größten Klimakiller sind Zement und Stahlbeton. Stahl wird fossil erzeugt, Zement auch. Schon die Erzeugung selbst produziert CO2. Zementherstellung gehört insgesamt zu den größten Emittenten, wobei man sagen muss, dass vor allem im Infrastrukturbereich viel Beton verwendet wird. Im Straßenbaun, in Tunnel und so weiter. Aber im Hausbau wäre es wesentlich leichter, Beton zu sparen.

Eine Holzstraße wird es wohl nicht geben.

Kaufmann: Nein. Wobei man schon ein bisschen experimentiert. Hoffnungen ruhen zum Beispiel auf Lehm. Die Frage ist, ob sich Lehm im allgemeinen Bauwesen durchsetzt. Aber ideal wäre, wenn der Lehm aus dem Aushub gemeinsam mit Holz als Bauteile für Gebäude verwendet werden könnte. Man kann nicht alles damit machen. Aber wenn man vernünftig nachdenkt, könnte man insgesamt wesentlich mehr tun.