Schuss vor den Bug
Mit der Europawahl hat das Superwahljahr erst richtig begonnen. Jetzt zählt der Herbst. Sollte die Stimmung anhalten, könnte eine neue Ära im Land anbrechen. Allerdings: Andere Wahl, andere Prioritäten – und noch etwas Zeit.
Europa ist nach rechts gerückt. Wird auch Vorarlberg nach rechts rücken? Die Anzeichen deuten darauf hin. Weil die ÖVP eines der schlechtesten landesweiten Ergebnisse ihrer Geschichte eingefahren hat – 2014 holte sie bei der EU-Wahl 28,3 Prozent, heuer sind es 26,8 Prozent. Und weil die FPÖ nicht einmal vier Prozentpunkte dahinter liegt. Die beiden Parteien würden zusammen auf knapp 50 Prozent kommen, im Landtag könnte sich eine Mandatsmehrheit ausgehen.
Vieles spricht dafür, dass sich in Vorarlberg nach der Wahl eine neue Koalition bildet. Das Architektenduo der Koalition, Markus Wallner und Johannes Rauch, hat sich getrennt. Rauch legte das Projekt für zwei Legislaturperioden an, übergab die Landespartei aber mittlerweile an Daniel Zadra und Eva Hammerer. Sie möchten die Grünen in die dritte Regierungsperiode führen, doch die schwarz-blauen Rufer in der ÖVP werden lauter. Im Gegensatz zu FPÖ-Chef Christof Bitschi. Er fällt seit Monaten durch Stille auf, lehnt sich zurück und lässt den Dingen ihren Lauf. Wer nichts sagt, kann auch nichts Falsches sagen. Die Dinge laufen für ihn: Die FPÖ ist in der Wählergunst so stark wie schon länger nicht mehr. 23 Prozent, klar zweitstärkste Partei in Vorarlberg, nach vorn ist der Abstand geringer als nach hinten.
Auch die Themenlage spricht für die FPÖ: Die Bereitschaft für Klimaschutz sinkt, zeigte kürzlich eine Umfrage der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik. Für 45 Prozent der Vorarlberger hat Klimaschutz eine hohe Priorität. Eine europäische, einheitliche Asyl- und Migrationspolitik hat für 53 Prozent hohe Priorität. Das EU-Ergebnis zeigt zwar, dass sowohl die Grünen mit ihrem Hauptthema als auch die FPÖ mit ihrem Hauptthema bei den eigenen Wählerinnen und Wählern punkten – allerdings in unterschiedlichen Sphären.
Wallner muss mit seiner Partei ein Thema finden und setzen. Er muss auf seine Partei achten: Sackt sie bei der Landtagswahl auf 27 Prozent ab, wird eine Zweierkoalition schwierig.
Aber: Das Duo Wallner/Bitschi jetzt als gegebenes zukünftiges Vorarlberger Führungsduo hinzunehmen, wäre ein Fehler. Aus mehreren Gründen: Die ÖVP war in Vorarlberg schon schlechter. 2013 holte sie bei der Nationalratswahl landesweit 26,3 Prozent. Und die FPÖ war schon besser. Bei der Nationalratswahl 1999 kletterte sie landesweit auf 30,2 Prozent. Außerdem ticken die Uhren bei der Landtagswahl anders. Noch nie landete die ÖVP bei unter 40 Prozent. Damit könnte sich die ÖVP ihren Partner aussuchen. Bis dahin wartet auf die Volkspartei ein hartes Stück Arbeit. Im Bund. Und im Land.
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