Kanzler Nehammer mit Vizekanzler Hanke?
Europa hat gewählt. Österreich auch. Vorarlberg auch. Hier lasen Sie vergangene Woche keine Prognose von mir, sondern eine kurze Gebrauchsanleitung. Die Redaktion dieser Zeitung hat das Ergebnis in den vergangenen Tagen via Print, E-Paper, online und TV kunstvoll zerlegt und erfolgreich wieder zusammengesetzt. Ergänzen darf ich nur: Was ich an dieser Stelle vor zwei Wochen beschrieben hatte („Wie ausländisch ist Vorarlberg?“), bewahrheitete sich einmal mehr. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Zahl der Ausländer in einem Bundesland und dem Erfolg jener Partei, die am härtesten gegen Migration wettert. Ganz im Gegenteil. Vorarlberg hat den zweithöchsten Ausländeranteil in Österreich, dennoch verbuchte die FPÖ auch dieses Mal wie schon bei der Nationalratswahl 2019 ihr zweitschlechtestes Länderergebnis (23 Prozent). Wien: höchster Ausländeranteil und schlechtestes freiheitliches Ergebnis (18,6 Prozent). Die Menschen entscheiden also nicht nach persönlichem Erleben, sondern meist auf Basis von Hörensagen und rechter Propaganda. Auch das ist zu respektieren.
Ich darf Ihnen heute über Gerüchte und Einschätzungen berichten, die in der Bundeshauptstadt mit Blick auf die Nationalratswahlen (29. September) und auf die Zeit danach kursieren. Experten innerhalb und außerhalb der politischen Lager rechnen mit einer ähnlichen Reihung wie bei der Europawahl. Der Vorsprung der FPÖ dürfte wegen der höheren Wahlbeteiligung gerade im freiheitlichen Lager größer werden. Auch wegen Herbert Kickl, der ein attraktiverer (tut etwas weh, das so zu formulieren) Spitzenkandidat ist als Harald Vilimsky. Auch wegen des Impfthemas, das die FPÖ dann lauter trommeln wird. Die SPÖ könnte schlechter liegen als am Sonntag. Andreas Babler ist nun noch heftiger umstritten als zuvor, er hat die Hoffnungen des Parteikaders nicht erfüllt. Und die Bierpartei wird die SPÖ mehr Stimmen kosten als die Volkspartei. Grüne oder Neos vorne? Nicht absehbar. Erwartet wird ein respektables Ergebnis für beide. Das ist weder für die durch Kompromisse in der Koalition kompromittierte Regierungspartei selbstverständlich, noch für die inhaltlich vagen und mit dem Wort „liberal“ eher belasteten Neos.
Spannend sind die Vermutungen über die Regierungsbildung danach (und angesichts eines extrem rechten wahrscheinlichen Wahlsiegers ist das für Fortkommen und Image der Republik auch entscheidend). Bei dieser Reihung geht derzeit fast jeder von einer Dreierkoalition zwischen ÖVP, SPÖ und Neos aus. Warum Neos und nicht Grüne? Weil der Wirtschaftsflügel der Volkspartei – aus dessen Sicht – schon genug unter Ministerin Leonore Gewessler gelitten hat. Und weil die SPÖ im Wiener Rathaus weniger unter dem Koalitionspartner Neos leidet (gar nicht nämlich), als zuvor unter den Grünen. Kanzler wäre dann wieder Karl Nehammer. Aber wer wäre Vizekanzler? In eben jenem Wiener Rathaus wird da der mächtige Stadtrat Peter Hanke gehandelt. Babler auf Platz drei hätte ausgedient. Er könnte allenfalls noch auf Zeit Parteichef bleiben. In einer Koalition müsste er so viele Abstriche von seinen (an Jungsozialisten erinnernden) Forderungen machen, dass er von Beginn weg eine Lame Duck wäre. (So erging es Alfred Gusenbauer als Kanzler 2007, der daher alsbald von Werner Faymann abgelöst wurde.) Würde Hanke den Wechsel vom wohlbestallten Stadtrat in eine Bundesregierung und an die Parteispitze machen? Im Wiener Rathaus sagt man mir, er würde – und er müsste.
Übrigens: Alle Angaben ohne Gewähr.
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