Guter Dienst
Der freiwillige Rückzug der Letzen Generation, der sogenannten Klimakleber, ist ein Erfolg für die Demokratie. Nicht, weil friedliche Proteste keinen Platz in einer Demokratie hätten. Ärgerlich war nur die deutliche Ablehnung demokratisch getroffener Entscheidungen durch diese Glaubensgemeinschaft. Selbst wenn sie in einigen Punkten recht hatte, derartige Vorgangsweisen und die begleitende Kommunikation erinnerten viele Beobachter fatal an faschistoide Verhaltensweisen. Selbst die Erklärung für das vorübergehende Ende ihres Aktionismus war entlarvend. Nicht die Aktionen waren falsch. Nein, die „dummen Menschen“ haben einfach nicht begriffen, was die Klimakleber der Menschheit Gutes tun wollten.
„Der einstimmige Beschluss des Vorarlberger Landtages zur Energieautonomie 2030 zeigt, wie es im Konsens gehen könnte.“
Ihre wirklich lächerliche Hauptforderung nach Einführung von Tempo 100 auf Autobahnen deutet auf ein leicht übersteigertes Selbstbewusstsein a la Greta Thunberg hin. Zumal der Klimawandel eine derart große Herausforderung darstellt, dass nur ein tiefgreifender Wandel in den industriellen und gewerblichen Produktionsprozessen seine Bewältigung bewirken kann. Allein die Tatsache, dass es bezüglich des CO2-Ausstoßes mehr bringen würde, ein einziges großes europäisches Kohlekraftwerk zuzusperren als den gesamten Verkehr Österreichs stillzulegen, belegt die Schlichtheit der Argumentation dieser selbsternannten Heilsbringer. Etwas Gutes hat ihr Rückzug aber jedenfalls für die grüne Parlamentspartei. Sie ist durch die Protestaktionen zunehmend in die Defensive geraten, weil sie aus Rücksicht auf ihre Kernwähler sich nicht einfach klar davon distanzieren konnte und somit viel Unmut auch auf sich gezogen hat. Jetzt hat sie die Gelegenheit, als Anwalt der Umwelt zu zeigen, wie es besser gehen kann. Das ist – zugegeben – weitaus mühsamer als billiger Aktionismus, aber eine gute Gelegenheit zu beweisen, dass grüne Politik im Rahmen des demokratischen Systems sehr wohl ihren Platz hat und auch erfolgreich sein kann. Denn über die Protestaktionen ist in den Hintergrund geraten, dass die Bemühungen zur Energiewende, zur Senkung des CO2-Ausstoßes, zum Schutz der Naturräume oder zur nachhaltigen Bodenbewirtschaftung beachtliche Erfolge brachten. Das wäre ohne den Druck und die Regierungsbeteiligung der Grünen nicht so rasch zustande gekommen.
Was nun nach den Nationalratswahlen Not tut ist ein parteiübergreifender Schulterschluss unter Einbindung der Sozialpartnerschaft zur Ausarbeitung einer nationalen Klimastrategie. Diese sollte von zumutbaren Kompromissen getragen sein und nicht nur der Profilierung einiger weniger politischer Akteure dienen. Der einstimmige Beschluss des Vorarlberger Landtages zur Energieautonomie 2030 zeigt, wie es im Konsens gehen könnte. Im Falle der Klimapolitik würde es auch dem Bund gut anstehen, sich an dieser konsensualen Vorgangsweise zu orientieren.
Rainer Keckeis ist ehemaliger AK-Direktor Vorarlberg und früherer Feldkircher VP-Stadtrat.
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