Von null bis 80 Prozent Anteil: „Schulen mit vielen nicht-deutschsprachigen Kindern sind nicht per se schwierig“

Politik / 22.08.2024 • 15:45 Uhr
Deutschförderklasse in der VS Hohenems Markt
Eine Deutschförderklasse in der Volksschule Hohenems Markt: Jedes Kind soll in Vorarlberg die gleichen Chancen bekommen, daher gebe es mehr Ressourcen für Schulen mit mehr Kindern mit Förderbedarf, betont die Bildungslandesrätin. VN/Lerch

Bildungslandesrätin Barbara Schöbi-Fink erklärt, wo der Bedarf an Deutschförderkursen in Vorarlberg besonders hoch ist und warum diese Schulen oft besser ausgestattet werden.

Birgit Entner-Gerhold, Julia Schilly-Polozani

Schwarzach Die Herausforderungen an Vorarlbergs Schulen werden größer. Das liege auch an einem stetigen Anstieg von Kindern mit einer anderen Muttersprache als Deutsch, schreiben Christof Bitschi und Andrea Kerbleder (FPÖ) in ihrer Anfrage an Bildungslandesrätin Barbara Schöbi-Fink (ÖVP). Diese liefert in ihrer Antwort genaue Zahlen. Doch, so betont Schöbi-Fink im Gespräch mit den VN, die Zahlen alleine sagen nichts über die Qualität der Bildung an den jeweiligen Schulen aus.

In Vorarlbergs Kindergartengruppen, Kleinkindgruppen und Kinderspielgruppen sind laut Kindertagesheimstatistik (KTHS) im Betreuungsjahr 2023/24 insgesamt 17.739 Kinder angemeldet. Die Erstsprache von 4819 Kindern ist nicht Deutsch. 3161 Kinder im Alter von drei bis fünf hatten einen Sprachförderbedarf. Davon war bei 2424 Kinder Deutsch nicht die Erstsprache.

ABD0020_20181008 – WIEN – …STERREICH: ++ THEMENBILD ++ Illustration zum Thema “Schule / Deutschklasse / Deutschfšrderklasse: Mit dem neuen Schuljahr starten auch die separaten Deutschfšrderklassen. In den Deutschfšrderklassen wird 15 bis 20 Wochenstunden nach eigenem Lehrplan Deutsch unterrichtet. In FŠchern wie Zeichnen, Musik oder Turnen findet der Unterricht allerdings gemeinsam mit SchŸlern der Regelklasse statt. […]
In den Deutschförderklassen wird nach eigenem Lehrplan Deutsch unterrichtet.  APA

Deutschförderklassen vor allem im Rheintal

An den Schulen konzentriert sich der Deutschförderbedarf stark auf das Rheintal. Im kommenden Schuljahr wird es in insgesamt 28 Vorarlberger Städten und Gemeinden Deutschförderklassen geben. Im Rheintal werden es 16 sein und im Walgau 6. Im Bregenzerwald findet sich zum Beispiel nur eine Klasse mit zwölf Schülerinnen und Schülern in Egg. Im Montafon sind es zwei, nämlich in Tschagguns und Gaschurn. 397 der insgesamt 764 Schülerinnen und Schüler – also 51 Prozent – besuchen die Deutschförderklasse in einer der fünf Städte des Landes. Lustenau zählt 51 Schülerinnen und Schüler in vier Klassen, Götzis 37 und Lauterach 20 in jeweils zwei Klassen. e eine Klasse gibt es in Altach mit 18, in Rankweil mit 17 sowie in Höchst mit 15 Schülerinnen und Schülern.

Engagierte Lehrer

In Feldkirch-Levis sprechen aktuell 61 Prozent der Schüler Deutsch nicht als Erstsprache, ist in der Anfragebeantwortung zu lesen. Es handle sich um eine kleine Volksschule, die seit mindestens 20 Jahren in der Sprachförderung „ausgezeichnet unterwegs“ sei, so Schöbi-Fink. „Ich würde mich dagegen wehren, dass eine Schule, die sehr viele Kinder mit einer anderen Muttersprache hat, per se für die Kinder schwieriger ist. Meine Kinder waren alle in der Volksschule Feldkirch-Levis. Damals war der Anteil gleich. Kleine Klassen, tolle Lehrer.“

Interview mit Barbara Schöbi-Fink
Bildungslandesrätin Barbara Schöbi-Fink berichtet auch von persölichen Erfahrungen an Schulen mit vielen nicht-deutschsprachigen Kindern. VN/Steurer

Auffällig ist jedoch, dass die Durchmischung sehr unterschiedlich ausfällt. So liegt der Anteil jener Schülerinnen und Schüler mit anderer Muttersprache in Feldkirch-Nofels nur bei 15 Prozent. Es sei Sache der jeweiligen Gemeinde, wie sie ihre Sprengel einteilt, sagt die Bildungslandesrätin dazu.

Hintergrund: Deutschförderklassen

Im Schuljahr 2023/24 wurden insgesamt 495 außerordentliche Schülerinnen und Schüler mit angenommenem Flucht- oder Asylhintergrund aus den Ländern Afghanistan, Iran, Irak, Russland, Somalia und Syrien an Schulen in Vorarlberg unterrichtet. Schülerinnen und Schüler, die dem Unterricht auf Grund unzureichender Sprachkenntnisse nicht folgen können, werden entweder in einer Deutschförderklasse oder in einem unterrichtsparallelen Deutschförderkurs unterrichtet. Die Zuteilung erfolgt auf Basis von MIKA-D, einem österreichweit einheitlichen Testverfahren. Ab einer Schülerinnen- und Schülerzahl von jeweils acht Schülerinnen oder Schülern mit MIKA-D-Ergebnis „ungenügend“ bzw. „mangelhaft“ ist verpflichtend eine Deutschförderklasse bzw. ein Deutschförderkurs am Standort einzurichten.

Auch Unterschiede an Mittelschulen

Die Mittelschulen Bludenz und Bregenz Rieden stechen mit 80 Prozent an Schülern hervor, die eine andere Muttersprache als Deutsch sprechen. „Das sind tatsächlich zwei Schulen mit besonderen Herausforderungen“, sagt Schöbi-Fink. Daher bekommen diese Bildungseinrichtungen mehr Mittel für die Deutschförderung und für die schulische Assistenz. Zudem bekommen sie mehr Lehrer zugeteilt, informiert die Bildungslandesrätin.

Schöbi-Fink spricht auf Nachfrage von Herausforderungen an diesen Standorten. Das habe nicht nur sprachliche Gründe, sondern auch den Hintergrund, dass viele Kinder aus bildungsfernen Familien kommen. „Daraus entsteht die komplexe Situation. Die Schulen sind nicht nur in der Deutschförderung mehr gefordert. Sie brauchen auch mehr psychosoziale Unterstützung.“

„Ziel ist, gleiche Chancen für alle“

Doch, so betont Schöbi-Fink, gerade an Schulen mit erhöhtem Förderbedarf in der deutschen Sprache werde „wahnsinnig engagiert gearbeitet“. Eltern müssten also keine Angst haben, ihre Kinder dorthin zu schicken. „Das könnte ein Kreislauf nach unten sein und diesen wollen wir mit mehr Ressourcen an diesen Standorten durchbrechen.“ Jede Schule werde so ausgestattet, dass sie ihren Unterricht gut machen kann, je nach Herausforderung. „Ziel ist, dass alle die gleichen Chancen haben.“

Mehr Flexibilität gewünscht

Im kommenden Jahr werde es 57 Deutschförderkurse geben. Im vergangenen Jahr waren es 63. Schöbi-Fink erhofft sich mehr Flexibilität vom Bund, wie diese organisiert werden können. Die Deutschförderklassen seien oft relativ starr, was die Aufenthaltsdauer eines Kindes betreffe. „Manchmal wäre es besser, wenn sie länger bleiben könnten. Es braucht mehr Vertrauen darauf, dass die Lehrer das besser einschätzen können.“

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