Karlheinz Kopfs Transfer in die Pension

Karlheinz Kopf ist der längstdienende Nationalratsabgeordnete. Nach 30 Jahren verabschiedet er sich aus dem Hohen Haus.
Wien Fußball ist die große Leidenschaft von Karlheinz Kopf. Er war Präsident des SCR Altach, hat ein Konzept der Nachwuchsförderung beim Fußballbund etabliert, bis 2013 war er Tormann des „FC Nationalrats“. Ausdauer hat er nicht nur am Platz bewiesen: Nach der Nationalratswahl verlässt der 67-jährige ÖVP-Politiker das österreichische Parlament. Nach 30 Jahren ist er damit der längstdienende Nationalratsabgeordnete. Sein Platz am Rasen ähnelte dabei oft jenem seiner politischen Karriere: Für die Volkspartei wehrte er das eine oder andere „gegnerische“ Tor ab, etwa als ÖVP-Klubobmann.

EU-Beitritt zum Einstieg
Als er im Herbst 1994 mit Ehefrau, Mutter und Schwiegermutter im Zug nach Wien saß, ahnte der Hohenemser wohl nicht, dass er die kommenden drei Jahrzehnte pendeln wird. „Die ersten Wochen im Nationalrat waren vermutlich schon einige der ereignisreichsten“, erinnert er sich während des Abschiedsgesprächs mit den VN im Wiener Parlament. Schon bei seiner zweiten Sitzung nach der Angelobung wurde der Beitrittsvertrag zur EU abgestimmt und ratifiziert. Um dieses Thema drehte sich auch Kopfs erste Rede. Vor allem die „friedenspolitische Seite und die wirtschaftlichen Chancen durch den großen Binnenmarkt“ strich er dabei hervor.
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Zwei Punkte, die er bis heute so sieht. Denn die Klammer zur Rede 1994 hat Kopf mit seiner Abschiedsrede am 18. September geschlossen. „In Zeiten von Renationalisierungstendenzen und geopolitischen Verwerfungen wird die EU wichtiger denn je.“ Doch Kopf hat auch Kritikpunkte: „So wichtig die Klimapolitik auch ist, in den vergangenen fünf Jahren wurde die Wettbewerbsfähigkeit des Kontinents aus dem Auge verloren. Es geht nicht um Revolution, sondern Transformation.“
Illwerkevertrag in Gesetz abgesichert
Während Kopf sein Resümee zieht, wird deutlich, was an aktiver Politik auch faszinieren kann: Durch Verhandeln und Konsensfindung kann man Spuren hinterlassen. Begonnen hat Kopf zum Beispiel als Umweltsprecher. „Es wurde gerade das Abfallwirtschaftsgesetz novelliert. Dazu gehörte die Verpackungsordnung, aus der heraus das ARA-System entstand, das Sammel- und Verwertungssystem, das österreichweit bis heute funktioniert.“
1997 wurde Kopf Energiesprecher, in dieser Funktion verhandelte er 1998 das Elektrizitätswirtschafts- und organisationsgesetz (EIWOG) maßgeblich mit. „Aus Vorarlberger Sicht ist mir dann wohl einer der wichtigsten Schritte gelungen: Der Illwerkevertrag wurde im Rahmen einer Verfassungsbestimmung in einem Gesetz abgesichert.“ Drei Jahre vorher konnte das Land Vorarlberg die Illwerkeanteile des Bundes (das betraf mehr als 70 Prozent) erwerben und die treuhändige Verwaltung durch die Verbundgesellschaft beenden.

„Harte Debatten hat es immer gegeben. Streiten im positiven Sinne ist das Wesen von Demokratie. Aber es ist immer die Frage, schafft man es mit dem nötigen Respekt und der Wertschätzung auch dem Andersdenkenden gegenüber oder verfällt man ins Persönliche,” sagt Kopf.
„Notfalls-Bundespräsident“
Im renovierten Plenarsaal angekommen, führt Kopf zu seinem Noch-Platz. „Ich bin gerne Abgeordneter und habe auch nie ein Regierungsamt angestrebt“, sagt er. Er zeigt nach vorn, auf den aktuellen Platz von August Wöginger: „Das war im alten Parlament auch schon einmal mein Platz.“ Von Ende 2008 bis Ende 2013 war Kopf Klubobmann. Es sei ein spannender Job gewesen, denn gerade bei einer Regierungspartei liefen hier alle Fäden zusammen. „Es war aber vermutlich auch meine herausforderndste Zeit.“ Permanent sei man das Gesicht für viele Themen: „Angenehme, aber oft auch unangenehme. Das zeigt sich ja bei allen Beliebtheitsumfragen quer durch alle Fraktionen, dass Klubobleute in der öffentlichen Wahrnehmung unbeliebt sind. Da war es da oben schon besser“, sagt Kopf und zeigt ein Stück weiter, auf die Plätze der Nationalratspräsidenten.

Das ist wohl auch ein Kapitel in seiner politischen Karriere mit einem Wermutstropfen. Am 29. Oktober 2013 wurde Karlheinz Kopf zum Zweiten Nationalratspräsidenten gewählt. Obwohl er gemeinsam mit Doris Bures (SPÖ) und Norbert Hofer (FPÖ) souverän und mit Ruhe sieben Monate lang den „Ersatz-Bundespräsidenten“ verkörperte, als die Wahl 2016 vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben werden musste, wurde er von der eigenen Partei kurz darauf übergangen. Denn im November 2017, als es um den Posten des Ersten Nationalratspräsidenten ging, bekam die damalige EU-Abgeordnete Elisabeth Köstinger den Vorzug der ÖVP unter Sebastian Kurz. Kopf gibt zu: „Natürlich hätte ich das gerne gemacht. Ich glaube auch, dass das gut zu mir gepasst hätte. Stattdessen hat sich für mich dann aber die schöne Aufgabe als Generalsekretär der WKÖ ergeben, die ich mit Jahresende nun ebenfalls beenden werde.“ Obwohl er nicht als Nationalratspräsident kandidierte, bekam er bei der Wahl fast ein Drittel der Stimmen vom ganzen Haus. Dieser fraktionsübergreifende Vertrauensbeweis freut Kopf bis heute hörbar.

Auf die Frage, ob er sich bei einem Thema die Zähne ausgebissen hat, muss Kopf länger nachdenken. Er war viele Jahre lang Obmann des Finanzausschusses und ab 2018 Generalsekretär der Wirtschaftskammer. „Wirtschafts- und Standortspolitik war für mich immer wichtig, weil es letztlich wohlstandsentscheidend ist. Da war die steuerliche Belastung schon immer ein Thema. In der Notwendigkeit eines Ausgleichs bin ich mit einer Steuerquote von 43 Prozent nicht zufrieden. Die Zielsetzung bleibt: Unter 40 Prozent.“
Pendeln und gestalten
Auf dem Weg in die ÖVP-Klubräumlichkeiten trifft Kopf einen Touristen aus Vorarlberg. „Ich fahr heute noch zurück ins Ländle, soll ich Sie mitnehmen?“, bietet dieser scherzend an. Die lange Anreise ist durchaus ein Punkt, der das Abgeordnetenleben von Vorarlbergern prägt, sagt Kopf. „Wenn ein Wiener Abgeordneter zu einem Ausschuss fährt, kann er die Straßenbahn nehmen. Für uns ist das meistens eine Zweitagesreise.“ Das führe seiner Meinung nach auch dazu, dass man etwas bewegen wolle, wenn man schon das Pendeln auf sich nimmt.
Aufstieg und Niederlagen von Wolfgang Schüssel und Sebastian Kurz, Ibiza, die Spaltung der FPÖ bei Knittelfeld, Koalitionsstreitigkeiten mit der SPÖ: Kaum jemand hat die österreichische Innenpolitik so hautnah erlebt wie Kopf. Auch zahlreiche Koalitionsvarianten erlebte er aus nächster Nähe. Auf die Frage, welche Option er im Falle einer neuerlichen Regierungsbeteiligung der ÖVP präferieren würde, antwortet er diplomatisch: „Ich habe mich schon lange davon verabschiedet, Wünsche in diese Richtung zu äußern. Es kommt meistens anders. Der Wähler ist am Wort.“

Zurück auf den Fußballplatz
In seiner letzten Legislaturperiode erlebte Kopf eine erstmalige Koalition mit den Grünen. Das ist jedoch eine Verbindung, die er von zu Hause kennt. Kopfs Ehefrau Karin ist die Schwester von dem Vorarlberger Grünen Urgestein Harald Walser. Bei Familienfeiern gab es schon das ein oder andere Politisierverbot der Schwiegermutter.
Familie ist auch das Erste, was Kopf nennt, wenn man ihn nach seinen Plänen fragt. In seinem Unternehmen will er „etwas präsenter sein“, alle Zelte in Wien wird er ebenfalls noch nicht abbrechen. „Ich freue mich aber auf mehr Zeit mit meinen vier Enkelkinder.“ Die Buben würden zum Teil schon das Wochenende ausfüllen, und zwar wohl im Sinne des Fußball-Fans: „Alle vier spielen Fußball und man muss mit ihnen von Platz zu Platz fahren.“
