“Bei den Widmungen sollte man die Gemeinden ein wenig einschränken”

Politik / 24.09.2024 • 16:25 Uhr
"Bei den Widmungen sollte man die Gemeinden ein wenig einschränken"
Meinl-Reisinger möchte bei den Widmungen die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister einschränken – was manche von ihnen offenbar wünschen, sagt die Neos-Chefin im Interview mit den VN. Neos/Steiner

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger über Bodenschutz, Deutschkurse und Versäumnisse der Bundesregierung.

Götzis Claudia Gamon und Beate Meinl-Reisinger stehen auf dem großen, zugepflasterten Platz am Garnmarkt in Götzis. Das Neos-Führungsduo präsentiert Wahlplakate, als von oben ein paar neugierige Gesichter aus dem Fenster blicken. Die Menschen winken, Meinl-Reisinger winkt zurück. Nach der Pressekonferenz verschwindet sie kurz und besucht die Besucherinnen und Besucher der Volkshochschule Götzis. Nach zehn Minuten kommt sie zurück und schüttelt den Kopf.

Sie sind gerade kopfschüttelnd aus der Volkshochschule heraus gekommen. Warum?

Meinl-Reisinger In der Volkshochschule können junge Menschen, viele davon sprechen zu Hause nicht Deutsch, den Pflichtschulabschluss nachholen. 75 Leute haben sich dafür angemeldet. 25 wurden genommen, weil die Ressourcen fehlen. Was stellt man sich da in der Landespolitik eigentlich vor? Was machen die anderen 50? Sie finden keinen Job, weil sie keinen Pflichtschulabschluss haben. Das geht so nicht.

Fehlt das Geld oder sind die Prioritäten falsch gesetzt?

Meinl-Reisinger Die Prioritäten sind falsch gesetzt. Uns ist klar, dass die Kosten noch viel höher sind, wenn man den jungen Menschen keine Bildung mitgibt.

Wird zu viel über Grenzen und Sicherheit und zu wenig über Integration gesprochen?

Meinl-Reisinger Es muss klar sein, dass Kinder Deutsch lernen müssen, das liegt in ihrem eigenen Interesse. Zudem müssen wir über Wertehaltung diskutieren. Man darf nicht zuschauen, wenn Mädchen in die Schule kommen und gezwungen werden, ein Kopftuch aufzusetzen. Oder wenn nach dem Hamas-Terror plötzlich antisemitische Töne angeschlagen werden. Wir müssen unsere Werte vermitteln, schon in der Volksschule. Das ist wichtiger als eine kindische Leitkulturdebatte.

Sie möchten auf Bundesebene in die Regierung. Angesichts der Umfragen: Für wie realistisch halten Sie dieses Ziel?

Meinl-Reisinger Ich dränge auf eine Alternative zu einer Neuauflage einer Schwarz-Blauen Koalition. In Vorarlberg und im Bund. Es darf kein “weiter wie bisher” mehr geben. Weder budgetär, noch im Bildungsbereich, noch im Integrationsbereich, noch in der steuerlichen Belastung, noch in der wirtschaftlichen Situation.

Wo soll budgetär denn gespart werden?

Meinl-Reisinger Es gibt eine kurzfristige, eine mittelfristige und eine langfristige Prognose. Kurzfristig brauchen wir einen strengen Konsolidierungskurs mit einer Ausgabenbremse in allen Bereichen.

Welche Ausgaben möchten sie konkret bremsen?

Meinl-Reisinger In einem ersten Schritt einmal alle, davor braucht es einen Kassasturz. Mittelfristig müssen dann strukturelle Reformen angegangen werden. Man wird auch an einer Pensionsreform nicht herumkommen. Übrigens sehen das mittlerweile über 70 Prozent der Österreicher so.

Zurück zum Kurzfristigen. Bei welchen Subventionen möchten sie sparen?

Meinl-Reisinger Wir haben gemeinsam mit Expertinnen und Experten einen Plan präsentiert und durchgerechnet, dass man mit Reformen 20 Milliarden Euro pro Jahr einsparen kann. Wir sparen nicht beim Menschen und den Leistungen, sondern in der Struktur. Aber das trifft auch die Förderungen. Man muss sich jede Förderung ansehen, die Bundesregierung hat viel zu oft die Gießkanne ausgepackt. Ein Beispiel: Die Bundesregierung belastet die Menschen mit der CO₂-Steuer mit 1,3 Milliarden Euro pro Jahr. Der Klimabonus kostet ungefähr 1,5 Milliarden Euro. Wo ist da aber die Lenkungsmaßnahme? Sollten nicht wirkliche soziale Härtefälle abgefedert werden? Deshalb braucht es bei Förderungen ein Ablaufdatum. Und danach sieht man sie noch einmal an. Das fordern wir auch bei Gesetzen.

Nach dem Hochwasser wird wieder über Bodenschutz diskutiert. Wird genug getan?

Meinl-Reisinger Ich finde es gut, dass es auch auf meinen Druck hin eine Raumordnungskonferenz gegeben hat. Leider haben ÖVP und Grüne da nichts zusammengebracht. Ich habe den Eindruck, wenn man beim Bodenverbrauch ein Ziel mit einer gewissen Flexibilität ausstattet, wären die Gemeinden auch dabei. Sie brauchen ja auch Flächen für ihre Klein- und Mittelbetriebe. Mit der Flexibilität wird es eine Einigung geben. Aber natürlich braucht es ein verbindliches Ziel mit Sanktionen über den Finanzausgleich. Bei den Widmungen sollte man die Gemeinden ein wenig einschränken und eine übergeordnete Ebene einziehen.

Trauen Sie das den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern nicht zu? Braucht es da wirklich Vorgaben aus Wien?

Meinl-Reisinger Es geht nicht um Wien, sondern darum, dass wir in einigen Fragen auch als Bund ein Interesse daran haben, dass Gemeinden keinen Fleckerlteppich mit Kreisverkehren und Gewerbegebieten rundum machen. Es gibt viele ganz tolle Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die das verstanden haben. Die wenden sich auch an mich, übrigens auch aus Vorarlberg. Sie wollen verbindliche Ziele, weil damit auch Druck von den Bürgermeistern genommen wird.

Sind Sie Föderalistin?

Meinl-Reisinger Ja. Und zwar eine wirkliche Föderalistin. Am liebsten wie die Schweiz. Das wäre ein richtiger Föderalismus, in dem die Länder auf Verantwortung für die Steuereinnahmen haben.

Wie werden Sie den 30. September verbringen?

Meinl-Reisinger Auf jeden Fall ein wenig blaumachen. Wir haben die Gremiensitzungen erst am Dienstag. Ich weiß noch nicht, ob ich ausschlafen werde, weil ich die Zeit mit den Kindern in der Früh genieße. Aber vielleicht lege ich mich noch einmal hin. Dann telefoniere ich ein bisschen und gehe eine größere Runde laufen.