Der Kampf um die Nichtwähler

Politik / 27.09.2024 • 12:53 Uhr
Zur Frage, wie das Volk, abseits von Wahlen, in politische Entscheidungen eingebunden werden kann.  VN/Steurer
Zur Frage, wie das Volk, abseits von Wahlen, in politische Entscheidungen eingebunden werden kann.  VN/Steurer

Die größte Gruppe könnte wahlentscheidend sein. Nichtwähler zu mobilisieren, ist allerdings schwierig.

Schwarzach Die treuesten Wählerinnen und Wähler sind die Nichtwähler. Während jene, die für eine Partei gestimmt haben, gerne auch mal wechseln, bleiben die Nichtwähler meistens dabei. Sie sind oft auch mehr als jene, die für die stärkste Partei stimmen. Das zeigte zuletzt die Europawahl. Stärkste Partei sind sie deswegen aber nicht, sagt Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle. Entscheidend können sie trotzdem sein.

Die Gruppe der Nichtwähler sei zu heterogen, um als homogene Wählerschicht angesehen zu werden. „Manche haben einfach keine Zeit und vergessen, eine Wahlkarte zu bestellen. Andere sind mit dem Angebot unzufrieden. Früher war es auch oft so, dass die, die eigentlich zufrieden sind, eher nicht wählen gingen“, erläutert die Expertin. Mittlerweile sinke der Anteil der Zufriedenen aber. Der Politikwissenschaftler Johannes Webhofer zitierte im „Standard“ kürzlich aus einer Imas-Studie, die sich das Phänomen angesehen hat. Hauptgründe fürs Nichtwählen sind demnach Politikverdrossenheit (24 Prozent), Protest (19 Prozent), Systementtäuschung (17 Prozent), Verhinderung (16 Prozent), politisches Desinteresse (12 Prozent) und Gleichgültigkeit (12 Prozent).

Der Kampf um die Nichtwähler
Wählerströme Nationalratswahl 2019, von SORA.

Für Stainer-Hämmerle steht deshalb fest: „Man kann also nicht sagen, man macht eine Partei, um Nichtwähler abzuholen. Denn auch neue Parteien wählt man eher nicht.“ Man sehe an der Bierpartei gerade, dass es schwierig ist, im Nichtwählersegment zu fischen.

Das zeigt auch ein Blick auf die Wählerströme der EU-Wahl. Das Marktforschungsinstitut Foresight hat sich auch die Nichtwähler angesehen. 93 Prozent all jener, die bei der EU-Wahl 2019 nicht gewählt haben, sind auch heuer nicht zur Wahl gegangen. Zum Vergleich: Der ÖVP sind 60 Prozent treu geblieben, der SPÖ 67 Prozent, der FPÖ 76 Prozent, den Grünen 57 Prozent und den Neos 53 Prozent. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der vergangenen Nationalratswahl: 89 Prozent der Nichtwähler von 2017 sind auch 2019 zu Hause geblieben.

Der Kampf um die Nichtwähler
Wählerstromanalyse EU-Wahl 2024 von Foresight.

Sonderfall Vorarlberg

In Vorarlberg war es laut einer Analyse von Sora und dem Institut für Strategieanalysen auch so. 66 Prozent der ÖVP-Wähler von 2009 haben auch 2014 die Schwarzen gewählt. Unter den Nichtwählern sind 83 Prozent erneut nicht zur Wahl gegangen. Die Neos holten mit sechs Prozent am meisten der Nichtwähler ab.

Der Kampf um die Nichtwähler
Wählerstromanalyse Vorarlberger Landtagswahl 2014 von SORA und ISA, im Auftrag des ORF.

Der Nichtwähleranteil ist in Vorarlberg am höchsten. Bei der vergangenen Nationalratswahl wählten nur 67,7 Prozent der Vorarlberger. In den anderen Bundesländern lag die Wahlbeteiligung bei über 70 Prozent, im Burgenland bei 81,4 Prozent. Österreichweit lag die Wahlbeteiligung bei 75,6 Prozent. Rund 1,5 Millionen Wahlberechtigte könnten also noch überzeugt werden.

Wie hoch ihr Anteil am Sonntag ist, lässt sich noch nicht sagen. Laut einer Gallup-Umfrage wissen 69 Prozent der Wähler bereits, wem sie ihre Stimme geben. Vier Prozent gaben an, nicht zur Wahl zu gehen. Und 25 Prozent sind sich noch unsicher. Die meisten Unentschlossenen finden sich unter den jungen Wählern. Die Jugend könnte also entscheidend werden. Am Ende kann jede Stimme zählen.