Die vergessene Krise bei der Wahl
Es war keine Klimawahl. Und das, obwohl nur zwei Wochen zuvor Starkregen den Osten Österreichs überschwemmte. Wieder einmal erlebte das Land einen Rekordsommer. Die Auswirkungen des Klimawandels sind zu spüren und zu sehen – außer im Ergebnis der Nationalratswahl.
Für den großen Wahlsieger FPÖ ist Klimaschutz eine “zusätzliche Belastung”. Im Wahlprogramm wird von Klimahysterie gesprochen. Statt notwendiger Reformen wird viel mehr eine weitere Abhängigkeit von russischem Gas propagiert. Fossile Brennstoffe von unzuverlässigen Geschäftspartnern, die damit einen Angriffskrieg auf europäischem Boden finanzieren: Das ist ein Konzept, das nicht gerade zukunftsweisend wirkt.
Den Grünen scheint es hingegen nicht zu gelingen, das Thema potenziellen Wählerinnen und Wählern als wahlentscheidendes Thema näherzubringen. Abgesehen von einer Stammwählerschaft werden damit offenbar keine neuen Stimmen gewonnen. Für überhaupt nur zwei Prozent der Wählerinnen und Wähler war das Hochwasser ein wahlkampfentscheidendes Ereignis, weitere fünf Prozent wurden „eher beeinflusst“. Das ergab eine Umfrage durch das Institut von Peter Hayek für Puls24/ATV. Auffallend war zudem, dass es hier “keinen signifikanten Unterschied zwischen den einzelnen Parteiwählerinnen und -wählern gab”, so Hayek. Das Hochwasser war nicht einmal in den spontanen Wahlmotiven der Grün-Wähler relevant.
Wieso gelang es den Grünen also nicht, die Ereignisse in Wahlmotive umzusetzen? Auch in ihren Wahlprogrammen ist keine Partei so explizit auf das Thema eingegangen wie die Grünen, die eine öko-soziale Transformation auf allen Ebenen umsetzen wollen. Sozialminister Johannes Rauch erklärte das Wahlergebnis in einem VN-Interview nach der ersten Hochrechnung mit Trends in ganz Europa, wonach rechtskonservative Parteien einen Aufschwung erleben. Zudem stehen bekanntlich multiple Krisen miteinander in Konkurrenz. Dadurch hat sich die Prioritätenliste geändert. Diese Erklärungen greifen aber zu kurz.
Die Menschen wählen meist jene Partei, von der sie sich für sich selbst und ihre Familien Sicherheit und ein besseres oder weiterhin gutes Leben versprechen. Dabei geht es nicht nur um populistische, verkürzte Antworten auf komplexe Problemstellungen. Es fehlen positive Erzählungen: Was bringt der Klimaschutz den Einzelnen, ihren Kindern und Enkelkindern, der heimischen Wirtschaft? Wie wird das Erreichen der Pariser Klimaziele und eine unabhängige nachhaltige Energieerzeugung Österreich nutzen, das Leben in diesem Land sicherer und wieder leistbarer machen?
Es liegt an allen Parteien, Klimaschutz ernst zu nehmen. Dass es kein Wahlmotiv mehr ist, könnte dazu führen, dass eine mögliche nächste Regierung das Thema liegen lässt. Umgekehrt: Wenn die Bevölkerung keinen Klimaschutz will, muss sie mit den Folgen leben.
Es wird aber auch Aufgabe der Medien sein, immer wieder konsequent den Klimawandel zu behandeln. Und zwar nicht nur bei großen Katastrophen, sondern auch bei positiven Ereignissen. Es gibt sie zur Genüge. Das nächste Mal wollen die Vorarlberger Nachrichten am 21. November diese optimistisch machenden, mitreißenden Ideen aus der Vorarlberger Bevölkerung eine Bühne geben: Mit dem VN-Klimaschutzpreis.
Es gibt viel zu verlieren. Ein gutes Leben wird auch durch Klimaschutz gesichert. Eine konsequente Umsetzung in allen Ländern wird dafür die Grundlage bilden. Es ist eine Katastrophe, die keinen Halt vor Ländergrenzen macht. Kein Zaun kann davor schützen.
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