Ein Vorarlberger Aufruf für die Demokratie formiert sich

Eine Gruppe Vorarlbergerinnen und Vorarlberger sorgt sich um die Entwicklung der Demokratie im Land – und warnt vor einer Regierungsbeteiligung der aktuellen FPÖ.
Hohenems Wohin geht die politische Reise im Land? Mit dieser Frage beschäftigt sich eine Gruppe von Vorarlbergerinnen und Vorarlbergern, die derzeit versucht, die breite Gesellschaft für ihr Anliegen zu motivieren. Mehr als 2000 Unterschriften wurden bereits gesammelt, sagt Mitinitiator Hanno Loewy, Direktor des Jüdischen Museums in Hohenems. Er sorgt sich um die Diskussionskultur in Vorarlberg – und um die Demokratie im Land.
Schon bei seiner Eröffnungsrede zur neuen Ausstellung im Museum betonte Loewy: „Der Wert einer pluralen Demokratie und der Menschenrechte ist keine Meinung, die man haben kann oder auch nicht. Es ist die Basis dafür, dass wir zusammenleben können.“ Wer es ernst meine, der werde in Vorarlberg weder einen Volkskanzler noch seinen Stellvertreter an die Macht bringen wollen. „Und wer die Parolen einer bestimmten Partei nicht ernst nimmt, dem ist es auch um die Demokratie nicht ernst.“
Im VN-Gespräch ergänzt Loewy: 70 Prozent der Wähler hätten bei der Nationalratswahl eine Partei gewählt, die eine Koalition mit dieser FPÖ ausschließe. „Es geht nicht darum, Menschen aus dem politischen Leben auszuschließen, aber es geht um die Frage, welche Vorstellung von Demokratie wir haben. Die FPÖ könnte ja auch eine liberale Partei sein, wenn sich andere Leute durchgesetzt hätten. Aber es haben sich halt die Kräfte durchgesetzt, die einen autoritären, illiberalen Staat wollen.“ Auf Bundesebene haben alle anderen Parteien eine Koalition mit der Kickl-FPÖ ausgeschlossen – diese Klarheit vermisse er in Vorarlberg. „Es fehlt der klare Schulterschluss, dass man mit diesen Parolen und dieser Politik nicht kann.“
Die FPÖ sei auch deswegen so stark, weil die anderen vier demokratischen Parteien nicht vernünftig miteinander reden könnten. „ÖVP und Grüne können zum Beispiel wegen Kleinigkeiten nicht miteinander reden.“ Er fordert auch die „sogenannten Vernünftigen“ in der FPÖ auf, zu einem sachlichen Diskurs zurückzufinden und nicht nur Machtfragen zu stellen.
Loewy rief die Initiative gemeinsam mit Carmen Feuchtner, Roland Gnaiger, Michael Köhlmeier, Johannes Lusser, Sigi Ramoser und Brigitte Walk ins Leben. Die Gruppe möchte für ihren “Vorarlberger Aufruf für Demokratie” die breite Mitte der Gesellschaft gewinnen. Auch Albert Lingg, Walter Häfele, Willi Hagleitner, Christine Flatz-Poasch, Verena Konrad und andere haben sich bereits angeschlossen. Der Aufruf richte sich nicht primär gegen die FPÖ, sondern möchte Menschen im Land dazu bewegen, wieder mehr Verantwortung für die Demokratie übernehmen, betont Loewy. Das gelte auch für die Zeit nach der Landtagswahl am 13. Oktober. Infos und Unterschriften unter: www.vorarlbergerdemokratie.at
Statements:
“Haben all die FPÖ-WählerInnen – außer den immer völkisch gesinnten – bedacht, wem sie, vielleicht aus Frust, ihre Stimmen gaben? Einer Partei, welche die menschengemachte Erderwärmung leugnet, sich nicht von Rechtsextremen distanziert und auf die komplexen Herausforderungen den verunsicherten Menschen vermeintlich einfache, oft ungesetzliche Lösungen inklusive Sündenböcke präsentiert? Was Koalitionsüberlegungen betrifft: Über 70% wählten nicht den selbsternannten Volkskanzler. Doch liebäugelt nicht nur die von allen guten (christlich-sozialen) Geistern verlassene LH-Frau NÖs mit Türkis -Blau oder umgekehrt! Und auch in unserem Land haben die blauen Politiker zwar in der Wahlauseinandersetzung Kreide gefressen, daneben jedoch Kickl im Bierzelt zugejubelt. Wenn ein blauer WK-Vizepräsident nun seine liberale Partei im Landhaus möchte, unterschlägt er, dass diese längst von einer illiberalen Wende a la Orban träumt. Und vor allem: Ein enkeltaugliches Vorarlberg wird es nur geben, wenn wir uns in Sachen Klima- und Naturschutz keine Halbheiten mehr leisten! Markus Hengstschläger: „Bei Klimawandel ist es ganz einfach: Wenn wir dieses Thema nicht lösen, dann brauchen wir uns über alle anderen Themen nicht mehr den Kopf zu zerbrechen. So einfach ist das, das hat größte Priorität.“
Albtert Lingg, Lustenau; Walter Lingg, Au
„So selbstverständlich scheinen seit 1955 in unserem Zusammenleben die Prinzipien der liberalen Demokratie. Wir sind dabei sie abzuwählen. Folgen wir stattdessen dem ermutigenden Aufruf für Demokratie, ein freies, vielfältiges und respektvolles Miteinander zu wählen.“
Walter Häfele
„Ich unterstütze diesen Aufruf aus ganzem Herzen und voller Überzeugung, weil Demokratie sehr viel mit Vernunft und Verantwortung zu tun hat. Von beiden brauchen wir mehr denn je!“
Tomi Scheiderbauer
„Wie muss man sich als Kind, als junger Mensch fühlen, wenn es von meinem Nachnamen abhängt, wie viel mir zugetraut wird und wie viel Ermutigung ich erfahre? Ich wünsche mir für die Kinder Vorarlbergs bunte Perspektiven, die Chance und nötige Unterstützung, ihre Potenziale und Talente zu entfalten – unabhängig ihrer Herkunft. Eine Politik, die mit Abwertungen und Ausgrenzungen agiert, ist meinen Augen so menschenverachtend wie überholt. Arbeiten wir doch lieber alle gemeinsam daran, Happy Ends zu schreiben und die Welt zu einem besseren Ort zu machen.“
Christine Flatz-Posch
„Lass dich nicht durch Sinn entleerte Wahlwerbung täuschen. Prüfe wer für Mitmenschlichkeit gegenüber allen Menschen, Empathie, soziale Gerechtigkeit, Menschenwürde und Wertschätzung steht. Priorität müssen die Menschen und die gerechte Verteilung der Güter haben. Dann entscheide, wen du wählst.“
Willi Hagleitner
„Wenn Parteien erstarken, die Menschenrechte als nicht mehr zeitgemäß betiteln, ist es die Aufgabe von jungen Leuten für ein solidarisches Miteinander einzustehen. Dafür braucht es unsere ganze Kraft. Durch Gespräche mit Nachbar_innen und Bekannten oder verschiedenen Aktionen.“
Lina Feurstein
„Ich wünsche mir eine stärkere Hinwendung zu dem, was wir als vielfältige Gesellschaft positiv gemeinsam bewirken können, nicht gegeneinander, sondern miteinander, auch mit Grenzen, ja, und in Anerkennung der Unterschiedlichkeit, die uns alle ausmacht – und sei es die politische Haltung.”
Verena Konrad
„Als Großvater hoffe ich für meine 5 Enkelkinder und damit natürlich für alle Kinder in unserem Land auf eine Politik der Mitmenschlichkeit, der Menschenrechte und von verstärkten Investitionen in deren Talente und Ressourcen. Politik muss sich auszeichnen durch respektvollen Umgang miteinander, durch Anerkennung von verschiedenen Lebensentwürfen, durch Solidarität mit Benachteiligten und Nachhaltigkeit bei allen Entscheidungen, die Mensch und Natur betreffen.“
Christoph Hackspiel
