Nächste Regierung muss Budgetloch stopfen

Politik / 08.10.2024 • 16:22 Uhr
ABD0009_20240918 – WIEN – …STERREICH: Finanzminister Magnus Brunner (…VP) im Rahmen einer Sitzung des Nationalrates am Mittwoch, 18. September 2024, im Parlament in Wien. – FOTO: APA/ROLAND SCHLAGER
Noch-Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) nennt auch das Hochwasser als Grund, wieso das Budgetdefizit nun höher ist als vor der Wahl prognostiziert. APA/ROLAND SCHLAGER

Das Budgetdefizit wurde nach der Nationalratswahl nach oben korrigiert. Experten fordern Strukturreformen und eine Überarbeitung der Staatsausgaben.

Wien Fiskalrat und das Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo warnen seit Monaten. Schon im Frühjahr rechneten sie mit einer deutlich höheren Neuverschuldung im Bundesbudget. Im Wahlkampf überschlugen sich die Parteien noch mit Versprechen an die Wählerinnen und Wähler. Sparen? Nicht mit uns, hieß es unisono. “Die Vermutung liegt nahe, dass man das aber auch im Finanzministerium hätte sehen können”, sagt Wirtschaftsforscher und Nationalökonom Bernhard Felderer, ehemaliger Präsident des Fiskalrats den VN.

Knapp vor der Nationalratswahl fragten die VN bei der gemeinsamen Wahldiskussion mit dem ORF den Finanzminister: Täuschen sich die Wirtschaftsforscher, wenn sie vor einem massiven Budgetloch warnen? Magnus Brunner räumte ein, dass es konjunkturelle Belebungen und auch Einsparungen brauche: “Aber nicht bei den notwendigen Dingen wie Kampf gegen Klimawandel, sozialen Unterstützungen, wie auch bei Entlastungen der Steuerzahlerinnen und Steuerzahlen.”

“Anlass zur Sorge”

Zwei Wochen später sieht die Situation ernster aus. Die Prognose für das öffentliche Budgetdefizit 2024 wurde von 2,9 auf 3,7 bzw. 3,5 Prozent des BIP deutlich angehoben. Damit liegt das Defizit über den EU-Schuldenregeln von drei Prozent. “Österreich verharrt im Wachstumsloch. Jetzt wäre es Zeit für Strukturreformen”, sagte Wifo-Chef Gabriel Felbermayr bei der Präsentation der Konjunkturprognose in Wien. IHS-Direktor Holger Bonin verwies darauf, dass “Österreich die rote Konjunkturlaterne in den letzten sechs Quartalen” in der Eurozone innehabe. “Das gibt uns Anlass zur Sorge”, fügte Bonin an. Die Wachstumsschwäche in Österreich im Vergleich zur Eurozone sei eine Herausforderung für die nächste Bundesregierung.

Einsparungen notwendig

Es stellt sich also nicht mehr die Frage, ob, sondern an welchen Stellen gespart wird. Der Staat müsse nun auf der Ausgabenseite korrigieren, sagt Nationalökonom Felderer: “Unser Sozialanteil am Budget ist in den vergangenen 20 Jahren rapide gewachsen.” Hier sei es notwendig, zu prüfen. Auch bei den Subventionen von Unternehmen gebe es Sparpotenzial. “Wir können nicht so weitermachen, als wäre die öffentliche Hand für alles verantwortlich.” Der Einsatz der staatlichen Mittel anlässlich der Coronakrise sei “gigantisch” gewesen, ergänzt Felderer. “Das war ja ein Sündenfall.”

Die Agenda Austria geht ebenfalls hart ins Gericht: Gegenüber 2019 habe sich die
Schuldenquote in Relation zum BIP um sieben Prozentpunkte erhöht. Mit Corona seien staatliche Hilfen zum Normalfall geworden. Kurzarbeit und Unternehmenshilfen gab es noch bis weit in den Wirtschaftsaufschwung hinein, erinnert die Agenda Austria.

Das räumte der Finanzminister bei der Wahldiskussion ein. Bei der Förderquote liege Österreich 0,8 Prozentpunkte über dem europäischen Schnitt. Bei einer Anpassung würden 3,5 Milliarden Euro eingespart. Brunner sah zudem Potenzial, “Doppel- und Dreifachförderungen aufzudecken”. Ein Schlüssel dazu seien die Transparenzdatenbanken der Bundesländer.

Sparen beim Klimaschutz?

Geht es nun dem Klimaschutz an den Kragen? Brunner nannte auch den Klimabonus als einen von mehreren Gründen für die Budgetkorrektur, er kostet 1,8 Milliarden Euro. “Ja, das ist teuer. Aber langfristig wird der Staat schon einige Aufgaben in diesem Bereich übernehmen müssen. Er wird nicht alles der privaten Hand überlassen können. Ich finde, der Staat hat mehr eine Rolle in der Klimapolitik, als in der Sozialpolitik”, sagt Felderer dazu. Auf der anderen Seite gibt es Potenzial, bei klimaschädlichen Subventionen massiv einzusparen. Das Wifo bezifferte sie auf fünf Milliarden Euro.

Pensionsreform wieder Thema

Die Agenda Austria sieht auch bei dem Pensionssystem Handlungsbedarf. Das jährliche Defizit im staatlichen Pensionssystem liegt bei knapp 30 Milliarden
Euro, die aus dem laufenden Bundesbudget abgedeckt werden müssen. Eine Erhöhung des faktischen Antrittsalters um ein Jahr würde das Budget um rund 2,5 Milliarden Euro jährlich entlasten. Eine Koppelung des Antrittsalters an die Lebenserwartung würde zudem mittelfristig Einsparungen von mehr als zehn Milliarden Euro bedeuten, rechnet der wirtschaftsliberale Think-Tank vor.

Es sei nun aber wichtig, die Lohnnebenkosten in Grenzen zu halten, betont Felderer. Der Experte ergänzt: “Wir sind eines jener Länder mit der weltweit höchsten Steuerquote. Dass wir darauf noch etwas draufsatteln, davon halte ich nichts.”

Brunner verteidigt höheres Budget

Nach tagelanger Kritik äußerte sich Brunner am Dienstag am Rande des Treffens der Finanzminister in Luxemburg. Dass das Budgetdefizit erst nach der Nationalratswahl nach oben korrigiert wurde, liege am Datum der Veröffentlichung der Prognosen, diese würden “verkündet, wenn sie verkündet werden, immer im Frühjahr und im Herbst”. Die neue Prognose ist laut Finanzminister Brunner auch auf die Auswirkungen der Hochwasserkatastrophe zurückzuführen.

Versprechen brechen

Die Prognosen der Wirtschaftsinstitute waren dennoch länger bekannt, Sparüberlegungen im Wahlkampf aber kein Thema – auch bei den Regierungsparteien. “Betrachtet man die Aussagen der Parteispitzen, wollen alle noch mehr ausgeben. Wenn man sie nach ihren Aussagen vor der Wahl bemessen würde, dann wäre es für jeden Einzelnen peinlich”, sagt Bernhard Felderer. So eine Vorgehensweise schade dem Ansehen der Politiker, betont der Nationalökonom, “weil jeder kapiert hat, dass das nach der Wahl nicht finanzierbar ist”. Es werde viel versprochen, aber immer weniger eingehalten. “Man kann den Wahlkampf nicht mehr als Orientierung verwenden, was die Parteien und führenden Politiker eigentlich wollen.”