Der rote Schleudersitz: Über die Stimmung in der SPÖ

Politik / 15.10.2024 • 13:34 Uhr
Wahlparty SPÖ Mario Leitner
Mario Leiter blickte am Sonntag in die Gesichter enttäuschter Genossinnen und Genossen. VN/Stiplovsek

Schon wieder Verluste, nur noch drei Mandate: In der SPÖ steht Trauerbewältigung auf der Tagesordnung.

Text: Birgit Entner-Gerhold, Michael Prock, Matthias Rauch

Schwarzach Sonntag, 19 Uhr, Magazin 4 in Bregenz. Nach dem Gruppenfoto für die Presse wendet sich Mario Leiter an die Genossinnen und Genossen. Man habe einen ausgezeichneten Wahlkampf geführt und auf Basis von Umfragen die drängenden Themen der Vorarlbergerinnen und Vorarlberger zum Thema gemacht, holt er auf der SPÖ-Party nach der Landtagswahl aus. Auch sei die Sozialdemokratie noch in keinem Wahlkampf so medienpräsent gewesen. Dies habe bis zum Ausruf des schwarz-blauen Duells gefruchtet, man sah sich bei zwölf bis 14 Prozent. Dann sei die Duellerzählung durchgedrungen, der Landeshauptmann sei sogar in Bludenz auf Hausbesuche gegangen. Selbst in Leiters Heimatstadt verlor die SPÖ eineinhalb Prozentpunkte. “Ich muss da auch meine Rolle in Frage stellen”, kündigt Leiter dann an, dass er in einer ruhigen halben Stunde zu Hause in sich gehen werde. Zwei Tage später zeichnet ein Stimmungsbild in der SPÖ einen Parteichef, der fest im Sattel sitzt. Das liegt an seinem Engagement und an fehlenden Alternativen.

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Friede, Freude, Eierkuchen herrschen unter den Genossen freilich nicht. Es rumort an der Basis. Der mächtige Postgewerkschafter Franz Mähr machte seinem Ärger auf Social Media Luft. Er spricht von einem niederschmetternden Ergebnis und wettert gegen den Parteichef: “Nur ein Schönwetterpolitiker zu sein, reicht nicht – stelle bitte deinen Grill auf Sparflamme oder, besser, stell ihn ab und erkläre deinen Rücktritt.” Im Laufe des Montags und des Dienstags erreichten zudem mehrere anonyme und offene Mails die VN-Redaktion, mit mehr oder weniger harter Kritik an Leiter. Speziell sein Führungsstil wird ihm angelastet: Er habe Kandidaten wie den umstrittenen Halim Calim durchgeboxt. Auch, dass er extra einen Pressesprecher aus Wien anstellen ließ, sorgte nicht nur für Freudensprünge innerhalb der Parteiorganisation. Ein Streit mit der Frauenorganisation im Februar dürfte wenige Wochen später wieder beigelegt worden sein.

Der rote Schleudersitz: Über die Stimmung in der SPÖ

Die VN haben sich in der Partei umgehört. Es gibt zwar kritische Stimmen, die SPÖ übt sich in Trauerbewältigung. Insgesamt scheint Mario Leiter aber Rückhalt zu haben. Auch Manfred Lackner, ehemaliger Parteichef und Präsident des Vorarlberger Pensionistenverbands, zeigt sich nach dem Wahlergebnis kritisch. Zu den VN betont er jedoch: „Ich denke nicht, dass Mario Leiter als Parteivorsitzender in Frage gestellt wird.“ So sehen es auch andere. Die Wahlniederlage nur Leiter anzulasten, wäre nicht fair, heißt es. „Man kann sich natürlich fragen, ob es klug ist, Wahldiskussionen im Bludenzer Dialekt zu führen“, meint ein Funktionär zu den VN. Aber im Großen und Ganzen wird das Engagement des Parteichefs geschätzt und gewürdigt. Er sei gelaufen wie nie zuvor ein Spitzenkandidat, loben mehrere hochrangige SPÖ-Politiker. Auch der Wahlkampf sei so professionell gewesen wie nie – mit zusätzlichem Wahlkampfmanager und Pressesprecher. „Aber gebracht hat es am Ende auch nichts. Wir müssen stark in die Analyse gehen“, sagt ein Parteimitglied. Eine andere Person ist überzeugt: „Die Frage ist nicht, ob Mario gehen muss. Die Frage lautet, ob er überhaupt noch Lust hat.“

Vor allem die Personaldecke dürfte Leiters Position stärken. Zwar hört man immer wieder den Ruf nach Manuela Auer – auch jetzt. Aber sie weist schon seit Jahren Wünsche zurück, sie möge die Partei führen. Auch Reinhold Einwallner hegt in dieser Hinsicht keine Ambitionen. Und wie sich Parteiarbeit mit einem Parteichef gestaltet, der dieses Amt ehrenamtlich nebenbei ausführt, statt als Abgeordneter im Landtag, hat die SPÖ in den vergangenen eineinhalb Jahren selbst erfahren. Fünf Jahre lang würde das die Partei kaum durchstehen, sind manche überzeugt.

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Die SPÖ schmerzt vor allem, dass sie ein Mandat verloren hat. Jetzt sei man die leidige Geschichte um Thomas Hopfner los – aber mit ihm auch das 2019 gewonnene Mandat. Es wird spekuliert, ob Leiter überhaupt den Klubvorsitz übernehmen möchte – oder sich stärker auf Bludenz konzentriert. Dass er auf das Bürgermeisteramt schielt, ist ein offenes Geheimnis. Vieles dürfte davon abhängen, ob der aktuelle ÖVP-Bürgermeister Simon Tschann bei seinem Prozess wegen eines Bauvorhabens verurteilt wird. In der VN-Homestory vor der Wahl ließ Leiter durchblicken: „Ich habe in der Politik gelernt: Sag niemals nie. Aktuell laufen mehrere Gespräche mit einigen sehr interessanten Persönlichkeiten aus Bludenz. Da ist einiges offen.“ Einwallner könnte mit seiner Erfahrung im Nationalrat und Landtag als Klubobmann einspringen. Innerhalb der SPÖ spricht man aber von einem unwahrscheinlichen Szenario – zumal Einwallner selbst Leiter als Klubobmann sieht.

Eines steht für viele Genossinnen und Genossen fest: wieder keine Regierungsbeteiligung, Prozente und Mandate verloren, der erhoffte Aufschwung blieb aus. Man müsse sich in den kommenden fünf Jahren etwas überlegen – egal, wer an der Spitze steht.

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