Anklage gegen Rüdisser & Co: So geht es in der Wirtschaftsbund-Affäre weiter

Die VN fragten nach: Wo wird verhandelt? Wann könnte es so weit sein? Und worum geht es bei der Anklageerhebung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft konkret?
Schwarzach Karlheinz Rüdisser wird sich vor Gericht verantworten müssen. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) teilte am Montag mit, gegen den einstigen Landesstatthalter und Landesrat sowie drei weitere Personen in der Causa Wirtschaftsbund Anklage zu erheben. Die Verhandlung wird am Landesgericht Feldkirch stattfinden – realistischerweise Anfang des kommenden Jahres, bestätigt der dortige Sprecher Dietmar Nussbaumer. Bei der Anklage – die aufgrund der Strafdrohung und Gerichtszuständigkeit auch als Strafantrag bezeichnet wird – handelt es sich um Vorwürfe der Untreue und Vorteilsnahme zur Beeinflussung sowie Vorteilszuwendung zur Beeinflussung.
Weihnachtsfeiern finanziert
Hintergrund sind mehrere Weihnachtsfeiern und ein Abschiedsessen, die Rüdisser aus der Kasse des Wirtschaftsbunds Vorarlberg finanzieren ließ. Neben Rüdisser (Verdacht auf Untreue, Vorteilsannahme) dürften auch der ehemalige Wirtschaftsbundobmann Hans Peter Metzler, Ex-Wirtschaftsbunddirektor Jürgen Kessler und dessen Vorgänger im Amt Walter Natter angeklagt worden sein. Metzler war für die VN nicht erreichbar, Natter wollte sich nicht äußern, Kessler verwies auf seinen Anwalt Wilhelm Klagian. “Es gab viele Fakten, nämlich Bargeldzuwendungen, ein Zeit-Abonnement, Werbefilme und jetzt noch die fünf Weihnachtsfeiern und eine Abschiedsfeier. Sämtliche Fakten wurden eingestellt, mit Ausnahme der Weihnachtsfeiern und Abschiedsfeier”, erklärt der Anwalt. Klagian wundert sich, “weil die Gründe für die Einstellung der drei erstgenannten Fakten” auch auf die genannten Feiern zutreffen müssten. Es sei fraglich, warum man hier einen Vorsatz sehe. Eine weitere Frage stellt sich der Anwalt außerdem: “Wie soll man denn jemanden bei einer Abschiedsfeier anfüttern können?” In die Pension hinein gehe das ja nicht. “Das ist tatsächlich verwunderlich. Aber es überrascht nicht, dass die WKStA nach jahrelangen Ermittlungen wenigsten irgendwas zu einem Verfahren bringen möchte.”

„Widersprüchlich“
Rüdisser betonte, dass er zum laufenden Verfahren nichts sagen könne. „Ich stelle aber fest, dass ein wesentlicher Teil der Vorwürfe eingestellt wurde und einer nicht.“ Der Strafantrag sei widersprüchlich. Er nehme ihn aber zur Kenntnis. „Wir werden das analysieren und schauen, wie es weitergeht.“ Dass ein Mitglied oder einstige Mitglieder einer Vorarlberger Landesregierung auf Grund eines Delikts vor Gericht muss, das mit der Amtstätigkeit oder politischen Funktion zusammenhängt, ist ein Novum, wie ein VN-Rundruf bei einst politisch Tätigen, Historikern und Rechtsexperten ergab.
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Iframely angezeigt.
„Zur Untreue bestimmt“
Die Vorwürfe: Rüdisser soll mit den weiteren drei Angeklagten vereinbart haben, dass der Wirtschaftsbund die Kosten für fünf Weihnachtsfeiern sowie ein Abschiedsessen übernimmt. Der einstige Statthalter habe sich dadurch in seiner Tätigkeit als Amtsträger beeinflussen lassen und diese Vorteile auch angenommen. Damit habe er die drei Verantwortlichen zur „Untreue gegenüber dem Wirtschaftsbund bestimmt.“
Die Anklagepunkte lauten bei Rüdisser und den weiteren drei Personen also auf Untreue und Vorteilsannahme beziehungsweise -zuwendung zur Beeinflussung. Das Strafmaß beträgt bis zu drei Jahre Haft.
Einzelrichter prüft
„Der Strafantrag ist zugestellt und wird nun von einem Einzelrichter am Landesgericht Feldkirch geprüft. In weiterer Folge wird er einen Verhandlungstermin ausschreiben“, bestätigt der dortige Sprecher Dietmar Nussbaumer. Im Unterschied zur Anklageschrift, die bei einem Geschworenen- oder Schöffengericht eingebracht wird, kann beim Strafantrag – der ebenso eine Anklage ist – kein Einspruch erhoben werden. Der Einzelrichter hat diesen somit zu prüfen und allenfalls zurückzuweisen. Eine Rückweisung gilt allerdings als unwahrscheinlich, wie Experten den VN erklärten. Jürgen Kesslers Anwalt, Wilhelm Klagian, glaubt hingegen nicht, dass das letzte Wort gesprochen sei. “Der Strafantrag ist wenig nachvollziehbar.” Und: “In Vertrauen auf den Rechtsstaat erwarte ich eine Zurückziehung.”

Vom Strafmaß lässt sich auch ableiten, welchen Wert die einzelnen gewährten Vorteile hatten. So lag eine vom Wirtschaftsbund bezahlte Weihnachtsfeier stets unter dem Ausmaß von 3000 Euro, wie den VN auch aus informierten Kreisen bestätigt wird. Gesamthaft werden wohl 15.000 Euro nicht überschritten. Wirtschaftsbunddirektor Christoph Thoma bestätigt das: Die Weihnachtsessen für 30 bis 35 Personen hätten durchschnittlich rund 1900 Euro pro Jahr gekostet.
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Iframely angezeigt.
Antrag auf Verbandsgeldbuße
Neben den vier angeklagten Personen wird wohl auch der Wirtschaftsbund zur Kasse gebeten. Die WKStA stellte einen Antrag, gegen den ÖVP-Bund eine Verbandsgeldbuße zu verhängen. Auch dies bezieht sich auf den Vorwurf der Vorteilszuwendung zur Beeinflussung. Für Thoma ist der Antrag “ebenso wenig nachvollziehbar, wie der im Raum stehende Vorwurf gegen Karlheinz Rüdisser.” Der Wirtschaftsbunddirektor geht davon aus, dass sich die Vorwürfe ausräumen lassen werden.
Ermittlungen wegen weiterer Vorwürfe wurden eingestellt, und zwar “mangels Nachweis der subjektiven Tatseite”. In der Causa ermittelt nach wie vor die Staatsanwaltschaft Feldkirch wegen des Verdachts der Abgabenhinterziehung. Laut Auskunft ihres Sprechers waren diese Untersuchungen am Montag noch nicht abgeschlossen.
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Iframely angezeigt.
Bereits eingestellt wurden Ermittlungen der WKStA gegen Landeshauptmann Markus Wallner und Wirtschaftslandesrat Marco Tittler (beide ÖVP).
Für alle genannten Personen gilt die Unschuldsvermutung.
Was bisher Geschah
Die Finanzbehörden reichten im April 2022 Anzeige bei der Staatsanwaltschaft ein. Wenige Tage später ermittelte auch die WKStA in Wien. Fast zweieinhalb Jahre später hat sie die Ermittlungen also abgeschlossen. Die vier Beschuldigten warteten seit Monaten auf den Ausgang der Ermittlungen. Eigentlich hatte die WKStA ihre Entscheidung, ob Anklage erhoben wird, bereits im März dieses Jahres an die Oberstaatsanwaltschaft Wien übermittelt. Wie gesetzlich vorgeschrieben kam der Akt danach in das Justizministerium, wo er rund vier Monate lang bearbeitet wurde. Seither lag der Ball wieder bei der WKStA. Es gab laut WKStA-Sprecher einen “Auftrag zur ergänzenden Berichterstattung”.
Ausgangspunkt der Ermittlungen war eine Steuerprüfung des Finanzamtes beim Wirtschaftsbund. Der Wirtschaftsbund reichte daraufhin Selbstanzeige ein, womit die Ermittlungen ins Rollen kamen. Anschließend kamen zahlreiche Vorwürfe an das Tageslicht: Der Wirtschaftsbund übernahm Ausgaben der Landesräte Rüdisser und Tittler, zahlte in das Budget der ÖVP ein und finanzierte das aus hohen Einnahmen über Inserate im Wirtschaftsbundmagazin „Vorarlberger Wirtschaft“. Mittlerweile bringt der Wirtschaftsbund Vorarlberg übrigens wieder ein Magazin heraus, um mit seinen Mitgliedern zu kommunizieren – allerdings ohne Inserate.
Reaktionen aus der Opposition
Die Oppositionsparteien im Land fordern angesichts der Anklageerhebung Konsequenzen. Wallner habe jahrelang zugesehen, ohne einzugreifen, meint etwa Neos-Chefin Claudia Gamon. Die Grünen stellen die Funktionen von Karlheinz Rüdisser in Frage. Die SPÖ betont, die Einflussnahme vom Wirtschaftsbund aufs Land müsse einmal mehr beleuchtet werden.



