Die politischen Fronten im Landtag sind neu gezogen

Politik / 20.11.2024 • 17:41 Uhr
Landtagssaal Fotos von der Regierungserklärung und weiteren Rednern und Impressionen aus der Sitzung. Landtag
Landtagssaal Fotos von der Regierungserklärung und weiteren Rednern und Impressionen aus der Sitzung. Landtag

Die Regierungserklärung des Landeshauptmannes zeigt auf, wo die neuen Trennlinien im Landtag verlaufen. Die Opposition zerpflückt das Regierungsprogramm von ÖVP und FPÖ.

Bregenz Ein Satz auf den 94 Seiten des schwarz-blauen Regierungsprogramms lässt den früheren Landesrat und nunmehrigen Klubobmann der Grünen, Daniel Zadra, verwundert vom Rednerpult in den Landtagssaal blicken. Unter dem Titel „Neue Impulse für Sprach- und Leseförderung“ beschreiben ÖVP und FPÖ das Pilotprojekt „Lernraum Schule und Kultur“ und schreiben anschließend: „Die Erfahrungen dieses Projekts sollen in weitere Überlegungen münden.“ Für Zadra ein typisches Beispiel für die fehlenden konkreten Ziele im Regierungsprogramm – ein Kritikpunkt, der in der zweiten Landtagssitzung nach der Wahl die Opposition eint. Doch zunächst ist die Regierung an der Reihe, die naturgemäß eine völlig andere Sicht auf ihr Programm hat. Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) und Landesstatthalter Christof Bitschi (FPÖ) zeigen sich von ihren Vorhaben überzeugt.

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Neue Regierungspartner: Christian Gantner (ÖVP, links) und Daniel Allgäuer (FPÖ). VN/Paulitsch

Der Landeshauptmann nimmt sich 55 Minuten Zeit, um das neue Regierungsprogramm vorzustellen. Er skizziert die Rahmenbedingungen: „Wir sind mitten in einer Rezension gelandet. 2025 ist das dritte Jahr in Folge, für das die Wirtschaftsforscher keine gute Konjunkturprognose abgegeben haben.“ Sein erstes Augenmerk gilt dem Wirtschaftsstandort. Vorarlberg soll attraktiver für heimische Unternehmen werden. Eine Stelle für Bürokratieabbau soll eingerichtet werden, manche Gesetze sollen mit einem Ablaufdatum versehen werden. Wallner lobt zahlreiche bestehende Projekte, die fortgeführt und ausgebaut werden sollen, und wehrt sich gegen die Kritik der letzten Wochen. Am Ende gehe es vor allem darum, das Budget zu sanieren.

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Neue Partner im Landtagspräsidium: Monika Vonier (ÖVP) und Hubert Kinz (FPÖ). VN/Paulitsch

Ähnlich argumentiert sein neuer Koalitionspartner Christof Bitschi. Auch er stellt den Wirtschaftsstandort in den Vordergrund. „Ein vernünftiger Sparkurs ist einer der Eckpfeiler dieser Regierung. Das wird nicht einfach, es wird mit Sicherheit eine große Kraftanstrengung“, betont er. Insgesamt 28 Minuten widmet er dem Lob des Regierungsprogramms, in dem er Vorhaben zu Lehre, Wohnen und öffentlichem Verkehr hervorhebt. Selbstverständlich werde man auch die S18 vorantreiben. „Ein großer Themenkomplex ist auch der Güterbahnhof in Wolfurt“, erklärt der neue Landesstatthalter.

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Neue Gesichter auf der Oppositionsbank: Der grüne Klubobmann Daniel Zadra (vorne), die SPÖ mit Reinhold Einwallner und Mario Leiter (rechts, hinten). VN/Paulitsch

Sein Nachfolger als Oppositionsführer, Daniel Zadra, bewertet das Regierungsprogramm hingegen kritisch: „Die Regierung ist zwar wenige Tage jung, das Regierungsprogramm wirkt allerdings sehr alt.“ In seiner 15-minütigen Rede vermisst er zentrale Themen: „Die Punkte zum Thema KI sind sehr mau, der Begriff Social Media kommt gar nicht vor.“ Als Beleg für fehlende Ziele führt er den eingangs erwähnten Satz an.

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Der neue SPÖ-Klubobmann Mario Leiter lässt sich 25 Minuten Zeit, um das Programm zu zerpflücken. „Der Begriff Arbeitsprogramm scheint eine Beschönigung oder Übertreibung zu sein“, beginnt er. „Es ist weder ein Programm, das konkrete Ziele verfolgt, noch widmet es sich den Herausforderungen unserer Zeit.“ Er spricht von 169 Variationen des Stillstands, erstaunlicher Mutlosigkeit und fragt: „Wäre das Arbeitsprogramm unter einer ÖVP-Alleinregierung wesentlich anders ausgefallen?“ Leiter zählt Baustellen auf, die aus seiner Sicht nicht angegangen werden: lange Wartezeiten bei Facharztterminen, gesperrte Pflegeheime, die Westzulage für Sicherheitskräfte, die Wiedereinführung der Caritas-Nachbarschaftshilfe … Nur beim Wohnbau sieht er wenige Baustellen – was allerdings eine schlechte Nachricht sei. Am Ende fordert er alle Parteien auf, einen Entschließungsantrag zu unterzeichnen, der die Landesregierung auffordert, einen gemeinnützigen Wohnbauträger nach Vorarlberg zu bringen.

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Eine der vielen neuen Abgeordneten: Julia Berchtold (ÖVP) wird von Parteikollege und Landtagspräsident Harald Sonderegger angeblobt. VN/Paulitsch

Claudia Gamon, die neue Neos-Klubobfrau, bringt ihre Kritik in einer 13-minütigen Rede auf den Punkt. Sie sieht ein immer größer werdendes Loch zwischen Veränderungsnotwendigkeit und Veränderungswillen in der Politik. „Ideologische Leitlinien bleiben unverändert, auch wenn sich die Welt komplett verändert hat.“ Konsequenzen aus der Causa Wirtschaftsbund vermisst sie ebenso: „Echte Transparenz und Worte zur politischen Kultur kommen in diesem Regierungsprogramm nicht vor.“ Auch sie vermisst konkrete Vorhaben: „Viele Dinge, die eh existieren, werden fortgeschrieben. Da hätte man sich das Papier sparen können“, ärgert sie sich. Das Programm sei ambitionslos und visionslos. Die neue Opposition scheint sich also einig zu sein. Die neue Regierung ebenfalls.

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