Birgit Entner-Gerhold

Kommentar

Birgit Entner-Gerhold

Gewalt hat keinen Platz

Politik / 27.11.2024 • 17:04 Uhr

Gewalt gegen Frauen ist alltäglich, auch in Vorarlberg. Das zu hören, ist unangenehm. Es auszusprechen möglicherweise auch. Umso mehr sollten wir es tun.

Gewalt gegen Frauen ist kein Randphänomen und es ist schon gar nicht überzogen, immer und immer wieder darauf aufmerksam zu machen, dass es sie gibt.

In Österreich ist jede dritte Frau von sexueller oder körperlicher Gewalt betroffen. Mehr als jede vierte Frau ist mit einer Form von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz konfrontiert und mehr als jede fünfte Frau mit Stalking. Darauf macht die UN-Kampagne „Orange The World“ zwischen dem 25. November und 10. Dezember aufmerksam. In diesen 16 Tagen erstrahlen Gebäude weltweit in oranger Farbe, um daran zu erinnern, wie allgegenwärtig Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist. Viele davon leuchten auch in Vorarlberg, etwa das Landeskrankenhaus Rankweil, verschiedene Kirchen, das Frauenmuseum in Hittisau oder die FH. Die leuchtenden Gebäude sind nicht nur ein Zeichen der Solidarität, sie mahnen auch, hinzusehen.

Hinsehen: Das ist notwendig. Nachfragen: Bitte tun Sie es. Zuhören: Und nichts kleinreden. Wir alle können etwas tun. Wir können Bewusstsein schaffen und wir können uns selbst bewusst machen, dass wir die Gewalt womöglich gar nicht sehen, die auch in unserem Umfeld passieren könnte oder passiert.

Das Vorarlberger Gewaltschutzzentrum vom ifs meldet fast 1000 Beratungen in diesem Jahr. Alleine heuer hat die Polizei im Land 400 gewalttätige Personen der Beratungsstelle für Gewaltprävention zugewiesen. 85 bis 90 Prozent davon sind Männer, in der Regel geht es um Gewalt in (Ex-)Partnerschaften. Die Frauennotwohnungen im Land (Frauenhaus) sind bis an ihre Kapazitätsgrenzen gefüllt. Heuer suchten dort schon 62 Frauen mit 60 Kindern Schutz.

Also reden wir nicht klein, was groß ist. Brechen wir das Tabu und sprechen wir Gewalt an. Überwinden wir die Scham, unterstützen wir die Opfer und geben wir ihnen bitte nicht Mitschuld an dem, was ihnen widerfährt. Gewalt darf nie eine Antwort sein.

Brechen wir mit Stereotypen, mit Rollenbildern, in die viele Frauen gezwängt werden, obwohl sie diese Rollen gar nicht wollen. Leben wir Selbstbestimmung, leben wir Gleichstellung, leben wir all das in unseren Familien und in der Partnerschaft. Leben wir all das bitte unseren Kindern vor. Brechen wir aus, aus unfairen Abhängigkeiten, die sich ergeben, obwohl Frauen genauso viel, wenn nicht sogar mehr leisten (mehr dazu in den Zeitverwendungsstudien). Belächeln wir Frauen nicht, sondern übernehmen wir einen Teil ihrer großen Belastung und brechen wir endlich mit diesem gesellschaftlich erzeugten Machtgefälle, das bis in viele Partnerschaften hineinwirkt.

Am Ende ist es nämlich das, was Gewalt begünstigt. Dies ist keine herbei philosophierte Korrelation. Das basiert auf dem großen Erfahrungsschatz zahlreicher Personen, die im Gewaltschutz und der Gewaltprävention tätig sind. Natürlich: Gewalt lässt sich nicht von heute auf morgen beseitigen. Aber wir können alle etwas tun, dass sie weniger wird. Wir können alle etwas dafür tun, dass sie verurteilt und eine Täter-Opfer-Umkehr völlig undenkbar wird. Schauen wir hin, fragen wir nach, hören wir zu. Und werden wir laut: Denn Gewalt hat keinen Platz. Wir alle tragen die Verantwortung dafür.