Abschieben!?

Nach der Revolution in Syrien schöpfen nicht nur die dort lebenden Menschen Hoffnung, dass sich die politische Lage vor Ort bessert, sondern auch unsere Politiker. Bundeskanzler Nehammer hat nach seinen Worten Innenminister Karner unter anderem beauftragt, alle laufenden Asylverfahren zu stoppen.

„In welche Richtung sich Syrien entwickelt, ist allerdings noch ziemlich ungewiss.“

Abgesehen davon, dass ein Bundeskanzler den Ministern rechtlich nichts anschaffen kann, weil sie nicht seine Untergebenen sind, ist die Aussetzung der Verfahren grundsätzlich in Ordnung. Welchen Sinn sollte es haben, jemanden über seine durch das Assad-Regime erlittenen Verfolgungen zu befragen, wenn genau dieses soeben kollabiert ist? Und jene, die nicht vor Assad, sondern vor dem Islamischen Staat geflüchtet sind, können darauf hoffen, dass die neue Regierung toleranter ist als die Islamisten. Die ersten Rückkehrer aus dem Libanon und der Türkei nach Syrien sind schon einmal ein gutes Zeichen.

In welche Richtung sich Syrien entwickelt, ist allerdings noch ziemlich ungewiss. Deshalb ist es voreilig, wenn Politiker den Eindruck erwecken, dass jetzt in großem Stil mit Abschiebungen begonnen werde. Der Innenminister will Straftäter als erste rückführen, was durchaus nachvollziehbar ist. Doch auch solche Leute dürfen so lange nicht außer Landes gebracht werden wie ihnen im Herkunftsland Gefahr an Leib und Leben droht. Daran hat auch der Sturz Assads nichts geändert. Die Politik sollte mit Ankündigungen vorsichtig sein, bevor sie durch die Gerichte wieder eingebremst wird.

Auch wenn Österreich durch den Zustrom syrischer Flüchtlinge und den Familiennachzug in den vergangenen Jahren besonders belastet war, ist es weder gegenüber ihnen noch der eigenen Bevölkerung angebracht, den Eindruck zu erwecken, als ob sie am besten noch vor Weihnachten ihre Herberge in Österreich verlassen müssten. Sind wir froh, wenn wir jetzt nicht auch noch die Assad-Anhänger aufnehmen müssen! Bis Syrien für alle Menschen hinreichend „sicher“ ist und bis Asylbescheide widerrufen werden können, wird es jedenfalls noch dauern. Gerade in der Weihnachtszeit wäre ein bisschen mehr Zurückhaltung angebracht.